SPAZIERGÄNGE DURCH PRAG 6
SPAZIERGÄNGE DURCH PRAG 6
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Břevnov • Střešovice • Vokovice • Veleslavín
2. Teil
2. Teil
SPAZIERGÄNGE
SPAZIERGÄNGE
DURCH PRAG 6
DURCH PRAG 6
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2.Teil
Spaziergänge
durch Prag 6
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Spaziergänge durch Prag 6
2.Teil
deutsche Version
Herausgeber: Ondřej Rolínek, Ječná 28, Praha 2
Druck: Akontex s.r.o.
Autorentext: PhDr. Jiřina Chrastilová
Redaktionsarbeit, Grafik, Karla Šmídová
Fotografien: Vojtěch Rolínek, NPÚ Praha, ÚVN Praha
Übersetzung: YES - překlady a tlumočení, s.r.o., www.yespreklady.cz
Auflage: 5 000
ISBN 978-80-254-6196-9
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
B
DasGebietdesheutigenStadtteilsPrag6bestehtauseinergan-
zen Reihe früher selbstständiger Orte.Zwei von ihnen wurden
bereits zu Zeiten der Ungarisch-Österreichischen Monarchie
zur Stadt erhoben. Zahlreiche Dörfer, ja sogar Städte wurden
nach und nach dem sogenannten Groß-Prag einverleibt,das im
Jahre 1920 kraft Gesetz entstand, als Prag zur Hauptstadt der
neuen Tschechoslowakischen Republik wurde. Aber auch spä-
ter wuchs Prag über seine Grenzen hinaus, als das Weichbild
der Stadt durch den Anschluss umliegender Dörfer am Rand
der städtischen Bebauung ‚abgerundet‘ wurde. In diesem Teil
gedenken wir Ihnen die Viertel Břevnov, Střešovice, Vokovice
und Veleslavín näher vorzustellen.
1.
Břevnov
Břevnov ist eine der uralten Ortschaften,die sich rings um den historischen Kern von Prag ausbreiteten.
Sein ehemaliges Zentrum war das erste Benediktinerstift auf unserem Gebiet, das 993 von Adalbert
(Vojtěch), dem Bischof von Prag und Boleslav II. gegründet wurde. Der Ortsname rührt von einer
Legende her, der zufolge sich beide im Traum an einer Quelle trafen, die durch einen Balken (tsch.
břevno) in Form eines Kreuzes gekennzeichnet war – daher Břevnov. Das Kloster entstand inmitten
eines tiefen, damals Malejov genannten Waldes, durch den eine uralte Landstraße führte. In späteren
Břevnov
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1. Břevnov
Jahrhunderten entstanden im gerodeten Wald nach und nach Bauern- und Weinhöfe, Ende des 17. Jh.
dann sogar auch einige Lustschlösser.In der 2.Hälfte des 19.Jh.verdichtete sich die hiesige Besiedlung
so stark,dass der Ort den Charakter eines Provinzstädtchens annahm,zu dem Břevnov nach 1907 dann
auch erhoben wurde.
In der Stiftsherrschaft gab es damals die OrtschaftTejnka (bzw.Týnka),deren Kern sich um einen Meier-
hof ausbreitete – annähernd an der Stelle des heutigen Gasthofs U Kaštanu. Ihre Einwohner waren bis
zum Ende des 18. Jh. Untertanen des Klosters. Im Laufe des 19. Jh. verschlang neuzeitliche Bebauung
auch diesen Ort und so verschwand der Grundriss der Ortschaft nach und nach unter dieser neuen Be-
bauung.Es blieben jedoch einige Höfe bestehen,von anderen zumindest deren einstige Namen.
Die Achse des heutigen Břevnov bildet die Straße Bělohorská ulice, die
in Pohořelec beginnt. Auf der anderen Seite verläuft sie entlang des
Wildgatters Hvězda zum Weißen Berg (Bílá hora), bis hin zum sog.
Kleinen (Malý) Břevnov. Aus Hradčany führte die Landstraße durch
das Strahov-Tor,das spätere Reichstor(Říšská brána – siehe der Name
des Eckhauses,Bělohorská Nr.6/Konskr.-Nr.180).Reste dieses Tores
befinden sich noch in der Nähe des Eingangs zum Kloster Strahov,wo
sich auch der bewahrte Teil der barocken Stadtbefestigung hinzieht.Teil
dieser Befestigung war auch ein Soldatenfriedhof, dessen Reste sich
heute im Graben hinter dem Jan-Kepler-Gymnasium befinden.
Das Gebäude des Gymnasiums steht annähernd an der Stelle des
Hauses von Kurz von Senftenau,das Kaiser Rudolph II.dem Astro-
nomen Tycho Brahe schenkte. Das Sternforscherdenkmal,
das Johannes Kepler und Tycho Brahe darstellt,stammt aus
dem Jahre 1963 und ist ein Werk des Bildhauers Josef Vajc.
Städtische Denkmalzone Tejnka, Str. Za Strahovem
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Tycho Brahe (Tyge Ottesen Brahe, 1546-1601) war nicht nur ein bedeutender dänischer Astronom, sondern
auch Astrologe und Alchimist. Noch als Günstling des dänischen Königs, gründete er die berühmte Sternwarte
Uranienborg auf der Insel Hven. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit dem neuen König verlässt er
dann später diese Stelle und seine Heimat und gelangt letztendlich auf Einladung von Kaiser Rudolph II.nach
Prag. Zuerst wirkte er in der neuen Sternwarte in Benátky nad Jizerou, mit Johannes Kepler als Assistenten
zur Seite. Später nutzte er auch das Lustschloss von Königin Anna im Königlichen Garten zu Beobachtungs-
zwecken. Er starb in Prag an Nierenversagen und liegt in der Teynkirche in der Prager Altstadt begraben.Vor
einigen Jahren wurden seine sterblichen Reste auf Wunsch dänischer Wissenschaftler erneut untersucht, wobei
sich bestätigte,dass er nicht vergiftet wurde,sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit eines natürlichenTodes starb.
Tycho Brahe ist Schöpfer der originellen kosmologischen Kompromisstheorie, welche die Erde als Mittelpunkt
des Universums belässt,jedoch mit der Einschränkung,lediglich Sonne und der Mond würden um die Erde und
die sonstigen Planeten um die Sonne kreisen.
An der gegenüberliegenden Seite der Straße Bělohorská breiten sich entlang der Stadtmauer Studen-
tenwohnheime und eine große Sportanlage aus.Seinen Mittelpunkt bildet das einstige Turnfeststadion
des Turnerbunds Sokol (heute Stadion Strahov),das 1930-32 nach Plänen der ArchitektenAlois Dry-
ák, Ferdinand Balcárek und Karel Kopp für das
IX. All-Sokolfest von 1932 erbaut wurde (vor-
her hatten diese Turnfeste auf der Letná-Ebene
(Belvedere) stattgefunden. Das gewaltige Stadi-
on für 14.400 Turner und ca.130.000 Zuschauer
war zu sozialistischen Zeiten Austragungsort
regimetreuer Spartakiaden. Nach der ‚Samtenen
Revolution‘ fanden hier Riesenkonzerte statt,
heute hat das Mammutstation keine adäquate
Verwendung mehr. Das anliegende Studenten-
Stadion Strahov
Hybšmanka
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1. Břevnov
wohnheim diente damals auch zur Unterbringung der Spartakiadeteilnehmer. Der riesigen Besucher-
und Teilnehmerzahlen bei diesen Sportveranstaltungen wegen wurde 1948 in Dlabačov sogar eine
Tram-Schleife errichtet,die heute jedoch nur sporadisch genutzt wird.
Hybšmanka,Atletická Nr.4/Konskr.-Nr.1113
Hinter dem Stadion gibt es einige Straßennamen, die an einstige Höfe erinnern, u.a. auch die Straße
Hybšmanka. Der Name dieses Hofes rührt von Maria Anna, der Ehegattin seines einstigen Besitzers
Josef Johannes Hipschmann her.Das im 18.Jh.erwähnte Gehöft entstand aber offensichtlich auf noch
älteren Grundmauern. Durch einen Umbau erhielt das Gebäude eher den Charakter einer barock-
klassizistischen Vorstadtvilla.
Kneislovka, Atletická Nr.5/Konskr.-Nr.2339
Ein weiterer Hof war die Kneislovka (urspr.auf der Gemarkung von Kloster Strahov),der den Namen
einer seiner Besitzer trägt und zwar des Doktors derTheologie und des Pronotars des St.-Veits-Kapitels
Johann Andreas Kneyssl (Kneissl).Er kaufte sie im Jahre 1774,aber schon vier Jahre später brannte sie
ab,worauf sie im Barockstil umgebaut wurde.Bis heute blieben die Umfriedungsmauer und die barocke
Johann-Nepomuk-Kapelle erhalten.Diese hatte jedoch schon ein früherer Inhaber des Weingutes,der
Metropolit und Domherr des Veitsdomes,Zdeněk Chřepický im Jahre 1724 gegründet.Bis 1873 zele-
brierten hier Priester des Stifts Břevnov die Messen.Damals starb sein Besitzer JakubWildner,worauf
die Witwe den Hof verließ. Die ehemaligen Grundstücke, auf denen sich teilweise Gärten befanden,
nahm später das Staatsgut der Hauptstadt Prag in Besitz. Das Objekt selbst ist heute in Privatbesitz
und dient zu Wohnzwecken.
Kneislovka
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Spiritka, Atletická Nr.11/Konskr.-Nr.2352
Das Haus ‚Spiritka‘ ist heute bis zur Unkenntlichkeit umgebaut.Das ab dem 16.Jh.bekannte Anwesen
mit Weingärten bekam seinen Namen von Jan Spirit, einem erst viel späteren Besitzer, der es in der 2.
Hälfte des 18.Jh.im Barockstil umbauen ließ.Noch im 19.Jh.genutzt,wurde es nach dem 2.Weltkrieg
vom Staatsgut der Hauptstadt Prag praktisch zer-
stört. Später wurde es zum Wohnhaus umgebaut,
heute dient es als Hotel. Zu ihm gehören auch
die ausgedehnten Grünflächen am Südhang über
Strahov.
Vom Reichstor ging seinerzeit ein beliebter Pil-
gerweg aus, der von der Loretto-Anlage auf dem
Hradschin bis zur Loreto-Kapelle in Hájek bei
Kladno führte. In den Jahren 1720-26 wurden
entlang dieses Wallfahrtsweges 20 Nischenkapel-
len errichtet, die Passionsszenen, aber auch Sze-
nen aus dem Leben des hl. Franziskus von Assisi
darstellten. Von all diesen Kapellen sind nur 11
übrig geblieben, diese werden nun aber schritt-
weise renoviert. Die erste dieser Kapellen befin-
det sich an der Stelle des ehemaligen Reichstores
in Dlabačov. Der Pilgerweg führte links über
der Reichsstraße entlang und so befinden sich
manche bewahrte Kapellen auch in der Straße
Nischenkapelle
Spiritka
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1. Břevnov
Hošťálkova, bei Ladronka oder Bílá hora. Auf die-
sem Gebiet stehen jedoch auch mehrere Villen mit
Gärten aus der Zeit der Ersten Republik.
Závěrka,
Za Strahovem Nr.14 und 18/Konskr.-Nr.276 und 277
Závěrka zählt zu den verschwundenen Objekten,
aber Name des Hofes blieb bis heute in der Orts-
benennung bewahrt und hat entsprechenden Aussa-
gewert.Hier befand sich ein Gasthof mit Weinberg,
allem voran jedoch die Wohnung des Mautners am
Anfang des Weges zur Stiftsherrschaft und zum Ort Tejnka.Die Maut blieb nachts geschlossen – daher
die Bezeichnung ‚Na Závěrce – Zur Sperre‘.Anfang des 20.Jh.diente das Objekt bereits nur noch zum
Wohnen (Umbau zum Pawlatschenhaus), außerdem gab es hier ein paar Handwerkstätten. Nach dem
jüngsten Umbau erinnert hier praktisch nichts mehr an die Geschichte dieses Ortes.
Königsmarka
Königsmarka ist ein verschwundener Hof, der einst am Ort der heutigen Helena-Malířová-Straße, in
der Gemarkung der Ortschaft Tejnka stand. Seinen Namen bekam das Anwesen von seinem Besitzer
– dem Juristen Nikolaus Königsmann. 1741 wurde hier eine Statue des hl. Johann Nepomuk errichtet.
Dann blieb der Hof einhundert Jahre lang im Besitz des Stifts Břevnov (die Benediktiner versetzten die
Statue kurzerhand zur Klosterkirche St.Margareta,wo sie noch heute steht).Eine letzte Erinnerung war
der Name des hiesigen Gasthofes (wenn auch in verballhorntem Tschechisch) Královka in der Straße
Nad Tejnkou Nr.14/Konskr.-Nr.378.
Liborka
Liborka ist ein weiterer verschwundener Hof, an den heute nur noch die entsprechende Ortsbezeich-
nung erinnert.Im 15.Jh.gab es hier zwei Weinhöfe,die in der Mitte des 17.Jh.Liborius Ubelle erwarb.
Dieser ließ seinem Schutzheiligen,dem hl.LiboriuseineKapelle errichten.Ab 1715 ging der Hof in den
Besitz des Stifts Břevnov über,der die Kapelle abschaffte und das Anwesen veräußerte (das Bildnis des hl.
Liborius zierte dann im Stift das Zimmer des Abtes).Die ursprüngliche Konskr.-Nr.gehört heute einem
Hochhaus in der Šlik-Straße Nr.49,aber die Reste des Hofes befinden sich in der Straße U dvora.
Marjánka, Bělohorská Nr.35/Konskr.-Nr.262
‚Marjánka‘ ist der Name eines ehemaligen be-
rühmten Gasthofs, der zur Mitte des 19. Jh. er-
baut wurde. Das Häuschen aus der Zeit um 1800
hatte Familie Bartoš den Benediktinern abgekauft,
sie bauten es um und verkauften es kurz darauf
wieder. Der heutige Name ist dem Namen der
Ehefrau eines weiteren Besitzers entlehnt – Frau
Marie Zemanová – Frau Marjánka (Marianne).
Gerade sie sorgte zusammen mit ihrem ersten und
Straße U Dvora - die Stelle, wo der Hof Liborka stand
Marjánka
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
nach dessen Tode,auch zweiten Ehemann,dem beliebten Kräutersammler Jan Černý,für die große Be-
liebtheit des Gasthofes.Von 1867 bis 1957 gehörte das Objekt FamilieTellinger.Diese brachten ihn zur
Vollendung und erweiterten ihn sogar um einen Jugenstil-Tanzsaal (siehe der alte Prager Gassenhauer
‘Na Marjánce,tam se baletí..‘).In den 20er Jahren des 20.Jh.wurde er zum Domizil des Arbeitertheaters
Břevnov, außerdem befand sich hier der Sitz der bürgerlichen Vorschusskasse. Nach dem Krieg barg
ein Teil des Hauses eine Fleischerei, aber letztendlich wurde das gesamte Objekt vom Staat konfisziert
und vom Betrieb Elektropodnik übernommen, der hier Lagerräume einrichtete. Und so verfiel der Hof
‚Marjánka‘ mehr und mehr.Erst in jüngster Zeit wurde der Hof endlich saniert.
An dieser (linken) Seite der Straße Bělohorská stehen einige weitere niedrige – ein- bis zweistöckige
Häuser – Reste der Bebauung vom Ende des 19.Jahrhunderts.Auf der gegenüberliegenden Straßenseite,
sozusagen am Hang zur Straße Patočkova,stehen neuere Häuser.Direkt gegenüber dem Hof Marjánka
steht das Neorenaissancegebäude derSchule (Bělohorská Nr.52/Konskr.-Nr.417),das 1910 nach einem
Projekt von Josef Lambert Hölzel errichtet wurde. Seine Fassade zieren Medaillons berühmter Persön-
lichkeiten aus der Geschichte des Schulunterrichts, einschließlich eines Reliefs des Völkerlehrers Jan
Amos Komenský (Comenius).
Das zweite Schulgebäude wurde in der 1.Tschechoslow.Republik errichtet und dies im Zusammenhang
mit dem Bau vonWohnblöcken in der Patočka-Straße (Meziškolská Nr.1/Konskr.-Nr.1100).Und gera-
de diesen Straßennamen trägt der unlängst eröffnete Kindergarten Meziškolská(in der Sartoriusstraße),
er besteht aus 46 Modulen und dient 112 Kindern. Die Variabilität dieses Systems ermöglicht seine
eventuelle Demontage und Neuverwendung,wenn der derzeitige Babyboom verebben sollte.
Gasthof U kaštanu, Bělohorská Nr.150/Konskr.-Nr.201
DerGasthofUkaštanu (Zur Kastanie) steht an einem alten Weg,der vorbei am Stift Břevnov,durch die
ehemalige Klostergemeinde Tejnka/Týnka führte.Der ursprüngliche Barockbau ist von offensichtlichen
Gasthof U Kaštanu (Zur Kastanie)
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1. Břevnov
Bautätigkeiten gezeichnet, die mit der Barockisierung des Stifts zusammenhingen. Seine Beliebtheit
stieg namentlich im 19. Jh., als der Gasthof um- und ausgebaut wurde. Im letzten Viertel des 19. Jh.
dienten seine Räumlichkeiten häufig als Versammlungsstätte,z.B.für denTurnverband Sokol,die Feuer-
wehr, Laientheater, usw. Im April 1878 fand hier der Gründungskongress der Tschechoslowakischen
SozialdemokratischenPartei statt.Zu sozialistischen Zeiten wurde hier deshalb ein Museum der Arbei-
terbewegung eröffnet.Heute dient der Gasthof U kaštanu wie in der Vergangenheit wieder zur Einkehr
und zu kulturellen Aktivitäten.
Am Anfang der Straße Bělohorská ragt rechter Hand in Dlabačov unübersehbar die Silhouette des
Hotels Pyramidaauf.Der Ortsname Dlabačov rührt vom einstigen bekannten Bibliothekar des Klosters
Strahov, Jan Bohumír Dlabač (1758-1820) her. Das Hotel wurde in der Mitte der 80er Jahre als Ge-
werkschaftserholungsheim(ROH) nach einem Projekt des Ehepaares Cajthaml erbaut.Heute trägt das
Hotel den Namen, der seinem Aussehen am besten entspricht – Pyramida. Es dient darüber hinaus zu
kulturellen und sportlichen Aktivitäten.
Die zweite Parallelachse von Břevnov bildet die Patočka-Straße, in welche der Straßentunnel Strahov
mündet,der auch unter dem Namen Blanka bekannt ist.Obwohl es an dieser Stelle während des gesam-
ten 20.Jh.zu großen baulichen Veränderungen kam,einschließlich der Parzellierung der alten Gehöfte,
von denen heute zumeist nur noch Teile übrig geblieben sind, stellte der Bau des Blanka-Tunnels den-
noch alles Vorherige in den Schatten. Der Stadtgürtel Malovanka – Pelc Tyrolka führt von der Nord-
mündung des Strahov-Tunnels, unter dem Hotel Pyramida zu einer planfreien Kreuzung und weiter
unter die Patočka-Straße.
Malovanka,Na Malovance Nr.20/Konskr.-Nr.123
‚Malovanka‘ war ein ausgedehntes Anwesen an der Grenze zweier Gemarkungen – von Střešovice
Hotel Pyramida mit Nischenkapelle
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
(heute gehört es zu diesem) und Břevnov.Der Kern
des Anwesens zeugt von seinem Ursprung im 17.
Jahrhundert. Im 18. Jh. befand sich hier ein Fuhr-
mannsgasthof an der durch die Stadtmauer füh-
renden Straße. Sein Name rührt angeblich von der
‚Bemalung‘ des Strahov-Tores bzw.Reichstores her.
Im darauffolgenden Jahrhundert kam es zu einem
klassizistischen Umbau,mancheTeile des Gehöftes
fielen jedoch dem Ausbau der Patočka-Straße zum
Opfer.
Schleiferka, Radimova Nr.2/Konskr.-Nr.33
In der nahen Radim-Straße, die nach dem Bruder
des hl.Adalbert (Vojtěch) Gaudentius-Radim,dem
Erzbischof von Gnesen benannt ist, stand der Hof
Schleiferka (Šleiferka). Das hiesige Gebiet war im
14.Jh.in Besitz des Klosters St.Georg auf der Pra-
ger Burg. Erster urkundlich belegter Besitzer war
Mikuláš Vopřetický, der anno 1591 erwähnt wird.
Dessen Witwe übermittelte das Anwesen anno
1622 ihrem zweiten Ehegatten Adam Schleifert
(der korrekte tsch. Name wäre daher Schleifertka).
Nach dem Dreißigjährigen Krieg kam es erst 1655
zum Wiederaufbau des Anwesens. Nach einem ????
Planfreie Kreuzung Malovanka
Funktionalistische Häuser - Str. Nad Kajetánkou
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1. Břevnov
kurzen Besitzerwechsel kehrte es in den Besitz von Familie Schleifert zurück, die es bis 1787 hielt. 1806
ist es in Besitz von Franz, Reichsgraf von Sickingen, der gleichzeitig von Graf Desfours auch das be-
nachbarte Anwesen Petynka erwarb.Das war wohl doch ein zu großer Happen,den schon bald folgte die
Versteigerung des Besitzes wegen Verschuldung,ab 1810 waren dann beide Anwesen wieder eigentums-
rechtlich getrennt. Nach weiteren Veränderungen erwarb 1922 die Kongregation der Schulschwestern
vom Orden des hl. Franziskus die Herrschaft, daraufhin folgte der Umbau zum Gymnasium. Während
der deutschen Okkupation befand sich hier eine deutsche Garnison.Nach dem Krieg avancierte das Ob-
jekt zum Kulturhaus und die ehemalige Kapelle zum Kultursaal. In den 60er Jahren befanden sich hier
ein Fernsehstudio, später der Klub Na Petynce. Heute dient das Objekt wieder als Caritas-Haus der
Kongregation der Schulschwestern des hl.Franziskus.
Petynka,Na Petynce Nr.19/Konskr.-Nr.32
Diese Ortsbezeichnung erinnert an ein weiteres
Anwesen – Petynka. Um 1650 errichtete der Be-
sitzer von Rumburk, Franz Eusebius von Pötting
und Persing, anstelle des vorherigen Weingutes
ein Lustschloss. Er hatte aber kaum Zeit, sich an
ihm zu erfreuen, denn schon 1664 wurde er Bot-
schafter in Spanien.Nach seiner Rückkehr lebte er
in Wien, wo er 1678 auch starb. Das Lustschloss
wechselte häufig seine Besitzer, bis es Ende des
18. Jh. Grafen Desfours erwarben. Nach gewisser Zeit kehrte es jedoch wieder in den Besitz der Familie
Pötting zurück. Damals wurde das Barockobjekt im neugotischen Stil umgebaut. Im 19. Jh. avancierte
Petynka zu einem beliebten Ausflugsort,da es hier eine Gastwirtschaft mit Garten gab und verschieden-
ste Vergnügen und Bälle stattfanden. Letzter Besitzer aus der Familie der Pöttings war Graf Emanuel
(1820–1898). Er wurde Probst in Ölmütz (Olomouc), 1895 gründete er eine Bildungsanstalt für Mäd-
chen. 1898 wurde das Anwesen Petynka dem 1876 gegründetenVereinVincentinum (Kongregation der
Töchter der christlichen Liebe vom heiligen Vinzenz von Paul) verkauft, der sich um Arme, Verlassene
und unheilbar Kranke sorgte.Hier im Hof Petynka gründete dieser Verein das ‚HausderBarmherzigkeit
Vincentinum‘,gleichzeitig entstand auch die entsprechende Stiftung zu seiner Finanzierung.1951 wurde
der Verein gewaltsam aufgelöst, in der Gegenwart bemüht sich das Neue Vincentinum, diese Objekte
zurückzugewinnen.In Zukunft soll hier ein Seniorenheim entstehen.
Kajetánka,Radimova Nr.10/Konskr.-Nr.30
Auch anstelle des Hofes Kajetánka standen ur-
sprünglich zwei Weinhöfe, die dem Benedikti-
nerinnenkloster des hl. Georg gehörten. In der
Nachhussitenzeit gehörte der östliche Teil der
Liegenschaften dem Apotheker Augustin (Be-
richt a. d. Jahre 1557) und den westlichen Teil
erwarben Jan und Dorota Moudrý (1559). 1612
kaufte MartinFruwein, einTeilnehmer des Stän-
deaufstands gegen die Habsburger, das Weingut.
Straße Na Petynce
Kajetánka
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Sein Vermögen wurde konfisziert,nachdem er selbst im Jahre 1621 im Gefängnis verstarb.Das Konfiskat
kaufte Appelationsrat Václav Behm aus Hisenpach. Nach seinem Tode im Jahre 1628 veräußerte seine
Witwe den Besitz an die Grafen von Martinic. Käufer war Marie Eusebie, Gräfin von Martinic, geb.
Šterberková (die Gattin des defenestrierten Jaroslav Bořita von Martinic).Nach ihr wurde 1649 der ober-
ste Burggraf Bernard Ignaz von Martinic neuer Besitzer.Er war es,der 1665 eine neue Kapelle errichten
ließ,die der MadonnaausÖtting(nach ihrem Vorbild aus Bayern auch Madonna von Altötting genannt)
geweiht wurde.Die Kapelle erfreute sich schon bald großer Beliebtheit und so fanden große Prozessionen
hier her statt.1672 stattete ihr auch Leopold I.einen Besuch ab (die Kapelle wurde 1822 leider zum gro-
ßen Teil abgerissen, nur ihr achteckiger Abschluss blieb bewahrt). Ignaz von Martinic hegte und pflegte
auch seine Weingärten und so ließ er ein neues Anwesen samt Park errichten.1666 widmete er den Besitz
dem Theatinerorden,den sog.Kajetanern (daher der Name des Anwesens).Zu Beginn des 18.Jh.folgte
ein Umbau im Barockstil.Damals entstanden auch der Fischteich und die Umfassungsmauer des Areals.
Unter Joseph II. wurde das Kloster aufgelöst und so kaufte 1789 Unterkämmerer Jan Marcel, Ritter
von Hennet den gesamten Besitz. Im Kaufvertrag werden u.a. Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Felder,
Hopfengärten, Teiche und eine kleine Kirche erwähnt. Am Ende des 18. Jh. erwarben die Kaunitzer
den Besitz, die das Anwesen als Sommerresidenz nutzten. Ein weiterer Besitzer war ab 1832 Heinrich
Schmied,der Sekretär der Lobkowitzer.Dieser richtete das Anwesen zum ganzjährigen Wohnen her.Es
dauerte jedoch nicht lange und das gesamte Areal wurde in einzelne Flurstücke aufgeteilt und anschlie-
ßend verkauft.An der Stelle des einstigen Anwesens befand sich dann die erste Prager Wachstuchfabrik,
die jedoch 1881 abbrannte.Später diente das Anwesen wieder zu Wohnzwecken,so wohnte hier u.a.auch
Julius Grégr (Herausgeber der Nationalblätter/Národní listy) und am Anfang des 20.Jh. Jan Kolátor,der
Bürgermeister von Břevnov.Seiner Familie gehörte das Objekt bis zum 2.Weltkrieg.
Zu sozialistischen Zeiten befand sich hier ein ‚Pionier- und Jugendhaus‘, in den 90er Jahren wurde das
Gebäude im Zuge der Restitutionen zurückerstattet,anschließend jedoch wieder veräußert.
Im Bereich zwischen dem Anwesen Kajetánka und Stift Břevnov entstanden in der 1. Republik neue
Wohnblöcke.Aus architektonischer Sicht sind sie nicht uninteressant,denn sie im damals vorherrschen-
den funktionalistischen Stil erbaut wurden. An diesen Wohnungsbau knüpfte in den 70er Jahren recht
unglücklich der Bau eines neuenWohnkomplexes,dicht unter der Klosteranlage an.Diese Häuser wurden
nämlich nahezu rechtwinklig zum Bachlauf des Baches Brusnice errichtet, wodurch sich der Grundwas-
serpegel im Stift erhöhte.Mit entsprechenden Folgen für das Objekt,welche den Benediktinern dann die
Sanierung der Anlage in den 90er Jahren erschwerten.
Dieser Wohnkomplex wird allgemein‚Gummiknüppel‘ oder‚Zum Gummiknüppel‘ genannt,da er namentlich für
Angehörige der Mitarbeiter des Innenministeriums bestimmt war.
Beide Hauptstraßen – die ‚Patočkova‘ und die ‚Bělohorská‘ – stoßen beim Stift Břevnov aufeinander.
Benediktinerstift in Břevnov
Das Benediktinerstift in Břevnov wurde 993 gemeinsam vom zweiten böhmischen Bischof von Prag,
dem später heiliggesprochenen Adalbert (Vojtěch) und Fürst Boleslav II. gegründet. Die ‚Vojtěška‘
genannte Quelle, an der sie sich trafen, sprudelt hier bis heute noch (im Garten des barocken Lust-
schlosses).Eigentlich geht es hierbei um die Quelle des Baches Brusnice,der von hier nach Osten fließt
und durch den ‚Hirschgraben‘ (Jelení příkop) der Prager Burg fließt.
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1. Břevnov
Der Legende nach führte er auch in schweren Dürrezeiten immer Wasser, nur dass sich dieses in Unglücks-
zeiten rot färbte. So anno 1419, als Václav (Wenzel) IV. verschied und die Hussitenkriege ausbrachen. Fortan
wurde der Bach argwöhnisch beobachtet, denn wenn sich seine Wasser trübten, stand sicher ein Unglück bevor.
Problematisch ist der Name des Baches – Brusnice. Er rührt wohl daher, dass er bei höherem Wasserstand ‚toste‘
(bručet).
Das älteste Gebäude der ganzen Anlage ist die heutige Krypta unter dem Chorraum der Kirche (wohl
das urspr. Kirchlein). Sie stammt vom Beginn des 11. Jahrhunderts. Ansonsten gibt sich die gesamte
Stiftsanlage aus der 1. Hälfte des 18. Jh. barockmäßig. Zum überwiegenden Teil ist sie ein Werk von
Christoph Dientzenhofer und dessen Sohn Kilian Ignaz. Die Basilika St. Margareta ist das Inbild
der Architektur des Hochbarocks mit üppiger Innenverzierung, in welcher Malereien von Petr Brandl
dominieren. Zu besichtigen ist auch der Spätbarock-Prälatensaal (Tereziánský sál), mit Fresken von
Cosmas Damian Asam, die das ‚Wunder des hl. Günther‘ darstellen. Die Anlage von Stift Břevnov ist
von einem ausgedehnten Park umgeben,der Schritt für Schritt wiederhergestellt wird.Unlängst wurde
z.B.das große Gewächshaus entsprechend ursprünglichen Barockplänen rekonstruiert.Aus Anlass der
Tausendjahrfeier im Jahre 1993 wohnte Papst Johannes Paul II. bei seinem Pragbesuch hier im Stift.
Die heilige Margareta,welcher das Kloster seit dem 13.Jh.gewidmet ist,sorgt als Schutzheilige für gutesWetter
und ertragreiche Ernten. Im hiesigen bäuerlichen Milieu war es also dringend geboten, der Nothelferin zu
huldigen und ihr auf gebührende Weise für gute Ernten zu danken.Deshalb fanden alljährlich äußerst populäre
Margarethenwallfahrten statt. Und zwar jeden ersten Sonntag nach Margarethentag. Die Anfänge dieser
Prozessionen gehen der Legende nach bis auf König Přemysl Otakar II. zurück, der von seiner siegreichen
Schlacht bei Kressebrunn eine Reliquie der hl. Margareta mitbrachte. Der Arm der hl. Margareta wurde ur-
sprünglich imVeitsdom aufbewahrt,aber bei der großen Dürre von 1262 fand eine Prozession statt,bei welcher
man, um der Bitte um Regen Nachdruck zu verleihen, diese Reliquie mittrug. Als sich die Prozession bei Stift
Benediktinerstift Břevnov
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Benediktinerstift Břevnov
Gartenpavillon Vojtěška
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1. Břevnov
Teich von Břevnov
Kornhaus
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Benediktinerstift Břevnov - erneuerte Barock-Orangerie
Basilika St. Margareta Innenansicht der Kirche St. Margareta
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– 22 –
1. Břevnov
Břevnov vorbeilief, begann es zu regnen. Deshalb widmete der König den Heiligenschrein kurzum dem Stift
(er befindet sich in der Kirche, auf dem Altar an der rechten Seite des Presbyteriums).
Später wurden dieWallfahrten zumWildgatter Hvězda verlegt,mit der Zeit verkamen sie jedoch zu solch einer
ausgelassenen und ausschweifenden Belustigung, dass sie Anfang des 20. Jh. amtlich verboten wurden.
An der gegenüberliegenden Seite der Klosteranlage breitet sich der FriedhofvonBřevnov aus,samt der
dem hl. Lazarus geweihten Friedhofskapelle (Straße U Vojtěšky). Die Kapelle im Rokokostil wurde
1762 geweiht, die Deckenfreske mit dem Motiv des Jüngsten Gerichts malte Joseph Hager im Jahre
1778.Auf dem Friedhof befinden sich die Gräber einiger bekannter Persönlichkeiten.So zum Beispiel
die Gräber des Liedermachers Karel Kryl (1944-1994), des Professoren und Philosophen Jan Patočka
(1907-1977) oder auch des Malers František Tichý (1896-1961). Hier liegen auch der Gründer des
Blindeninstituts auf der Kleinseite, Pavel Josef Klár (1800-1860), der Dichter Ivan Diviš (1924-1999)
und selbstverständlich auch der Erzabt (60.Abt) und Erneuerer des Stifts Břevnov, Anastasius Opasek
(1913-1999) begraben.
Undnocheine,wenigerbekannteKuriosität.JohannesAntoniusJosephusScrinci(1697–1773)wargebürtiger
Prager, jedoch Sohn eines italienischen Baumeisters, ein talentierter und allseitig begabter Mann. Nach seiner
Promotion zum Arzt befasste er sich mit einer seltsamen Krankheit, dem sog. Ergotismus, der von Krämpfen
und Halluzinationen begleitet war. Er bewies jedoch, dass dies keine Krankheit war, sondern eine Vergiftung
durch Mutterkornalkaloide – das Mehl des regnerischen Sommers von 1736 enthielt nämlich übermäßig viele
zermahlene Mutterkörner. Dank dieses Erfolgs wurde er 1738 ordentlicher Professor an der Ärztefakultät in
Prag und las im Carolinum Physiologie, Pathologie, Hygiene, usw.
Scrinci pflegte seine Erläuterungen durch Experimente zu untermauern, leider wissen wir heute nicht, welcher
Art. Aber gerade hier auf dem Hof des Stifts Břevnov führte er sein Experiment mit den sog. Magdeburger
Halbkugeln durch, dem auch Kaiserin Maria Theresia und ihr Gatte Franz I. zugegen waren. 1753 bemühte
er sich – leider erfolglos – um die Gründung einer Akademie in Prag.
Nebenbei sei noch erwähnt, dass er die Tochter von Josef Dobner (Daubner), eines Kleinseitner Bürgers und
Schreiners zur Frau nahm, was ihn zum Schwager von Gelasius Daubner machte.
Etwas weiter weg befindet sich das SpeedwaystadionMarkéta,auf dem auch internationale Speedway-
Rennen ausgetragen werden – erstmals im Jahre 1965.Die folgende Begebenheit zeugt vom damaligen
(sozialistischen) Zeitgeist: Bei einer aus Anlass
des Todes von Nobelpreisträger Jaroslav Seifert
im Januar 1986 zelebrierten Messe in der Basi-
lika St. Margareta war kaum das eigene Wort zu
verstehen, denn auf Anweisung der tsch. Staats-
sicherheit (StB) die Zeremonie immer wieder
von Motorgebrüll aus diesem Stadion unterbro-
chen wurde.
Ladronka,Tomanova Nr.1/Konskr.-Nr.1028
Schon ab dem 17. Jh. breitete sich auf dem
Kamm über dem Motol-Tal das weitläufige An-
Ladronka
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
wesen Ladronka aus. 1688 kaufte General Graf Philipp Ferdinand von Ladron die hiesigen Län-
dereien und Weingärten, die bis dahin in Besitz von Baron Švihovský gewesen waren. Nach und
nach entstand so eine gewaltige Herrschaft, die bis nach Smíchov reichte (dort gab es ebenfalls ein
Anwesen Landronka). Wie es zu seinem Namen kam, liegt auf der Hand, dennoch gibt es noch
eine Erklärung,die auf das italienische Wort ladron – Räuber anspielt.Ob es einen Zusammenhang
mit dem Herrn General gibt, ist unbekannt. Schon damals wurde hier auch ein Gasthaus errichtet.
Ladron’s Witwe verkaufte den Besitz an Graf Wolf von Pötting (siehe Petynka) – den Großprior
des Malteserordens.
Später wechselte das Anwesen häufig seine Besitzer, bis der riesige Besitz Schritt für Schritt parzel-
liert wurde. Der Gasthof blieb hier allerdings bis in die 50er Jahre des 20. Jh. bestehen. Dann gab es
hier nur noch ein paar Wohnungen,dann die Wohnungswirtschaft und den Betrieb ‚Parks und Wäl-
der‘. All dies ging mit dem raschen Verfall des Objekts einher. Erst Squatter, die das Gebäude im
Jahre 1994 besetzten,machten sicher ungewollt auf den unerfreulichen Zustand des Hofs Landron-
ka aufmerksam.Zuguterletzt fand in den Jahren 2002-05 seine Sanierung zum Freizeitgelände statt.
Die Sanierung der Gaststätte war so erfolgreich, dass sie 2006 zum ‚Bau des Jahres‘ gekrönt wurde.
Alle Sportsfreunde hergehört – hier gibt es auch eine 3,8 km lange und hübsche Inlinerbahn.
Šafránka, Kukulova Nr.20
Das letzte der hiesigen Anwesen ist Šafránka, das einst zu Motol gehörte. Im 14. Jh. gab es hier ein
Weingut, dessen Namen aber erst im Jahre 1784 erwähnt wird. Interessant ist, dass es in Prag mehrere
Anwesen dieses Namens gibt. Später verschwanden die hiesigen Weingärten und der Gutshof von der
Wende des 18. zum 19. Jh. wurde nach dem 2. Weltkrieg vom Staatsgut genutzt. Vom historischen
Gebäude ist nicht viel übrig geblieben,da es vor einigen Jahren abbrannte,die meisten der Grundstücke
gehören heute dem Klinikum Motol.
Šafránka
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1. Břevnov
‚NaVypichu‘ ist eine Ortsbezeichnung vom Beginn des 19.Jh.,als hier die Einöde‘Nad cihelnou – Über
der Ziegelei’entstand.Die Bezeichnung rührt offensichtlich vom Begriff ‘vypíchnout – ausstechen’her.
Des Weiteren breitet sich rechter Hand das ausgedehnte Wildgatter Hvězda (Stern) mit seinem gleich-
namigen Renaissance-Lustschloss (Gemarkung Horní Liboc) aus und auf der Straße Bělohorská (an-
schließend Karlovarská) gelangen wir ins sog.Malý Břevnov (Klein Břevnov).
Malý Břevnov ist die Bezeichnung der nun schon dritten Ortschaft des heutigen Břevnov – außer dem eigentli-
chen Břevnov (des späteren Velký /Großen/ Břevnov) und der OrtschaftTejnka gab es hier ab dem Ende des 18.
Jh. eine weitere Siedlung, die anfangs Břevnovec – bzw. Malý (Kleines) Břevnov genannt wurde.
Gerade hier erhebt sich der Weiße Berg (Bílá hora), der zum Symbol der Unterjochung des Böhmi-
schen Königreiches wurde. Gerade hier fand am 8. November 1620 die unglückliche Schlacht (eher
einem Scharmützel) statt,die das Schicksal des Ständeaufstands besiegelte und die Rekatholisierung
einleitete.Bis heute zeugt ein Steindenkmal von diesem Ereignis.Schon 1624 hielten die Katholiken
hier eine Dankeswallfahrt ab. In Reaktion darauf und zu Ehren des Sieges der Habsburger (und
der Katholiken) ließ Ferdinand II. näher zur Hauptstraße eine Kapelle errichten. 1628 wurde der
Grundstein zu diesem Bauwerk gelegt,aber zur Kapelle sollte auch noch ein Stift des Servitenordens
hinzukommen. Das Stift blieb jedoch unvollendet (an seiner statt stand hier gewisse Zeit ein Spital),
die Kapelle selbst wurde im Laufe der folgenden Kriegsereignisse mehrmals stark beschädigt. Zu
Beginn des 18. Jh. wurde sie jedoch wiederhergestellt und später sogar erweitert. So entstanden hier
nach und nach mehrere, durch einen Kreuzgang verbundene Kapellen, das Hauptheiligtum wurde
1706 der Siegreichen Jungfrau Maria geweiht. Der Bau des heiligen Areals setzte sich bis ca. Mitte
des 18. Jh. fort. Autoren der Innenmalereien waren namentlich Kosmas Damian Asam und Wenzel
Lorenz Reiner. Am Ende des 18. Jh. wurde der Wallfahrtsort unter Joseph II. jedoch aufgelöst – das
unvollendete Stift wurde zum Gasthof umfunktioniert. 1811 kehrte die Wallfahrtsanlage jedoch in
kirchliche Hand zurück und so untersteht sie heute der Verwaltung des Benediktinerstifts der hl.
Margareta.
Steindenkmal auf dem Weißen Berg (Bílá Hora)
Větrník (Windmühle)
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Větrník
In Richtung Petřiny an der Straße Ankarská befindet sich eine interessante Besonderheit. Auf dem
Wirtschaftsgelände des Stifts stand nämlich auch eine Windmühle, tsch. ‚Větrník‘. Dabei ging es um
eine echte Windmühle holländischer Bauart, die 1722 an dieser günstigen Stelle (Straße U Větrníku
Nr. 1/Konskr.-Nr. 40) erbaut wurde. Noch bis in die 60er Jahre des 19. Jh. hinein wurde hier Korn
gemahlen. Da war sie jedoch schon in Privatbesitz – ab 1794 gehörte sie Familie Kohoutek. Später
wurde sie zu Wohnzwecken um- und ausgebaut.Der runde Turm des Gebäudes zeugt jedoch bis heute
von seiner Vergangenheit und seiner Einzigartigkeit – ist dies doch die einzige bewahrte Windmühle
in ganz Prag.
Gleich in der Nähe gab es noch eine etwas kleinere Windmühle – diese wurde jedoch schon 1912
abgerissen.Gerade diese Windmühlen verhalfen diesem Ort zu seinem Namen.
Die Ortsbezeichnung ging automatisch auf die Studentenwohnheime über, die hier in den Jahren 1964-67
nach einem Projekt von Vladimír Hladík errichtet wurden. Später dann auch auf die weiteren, unlängst mo-
dernisierten Anbauten. Dabei geht es um den Gebäudekomplex Větrník-Süd (Hvězda) und Větrník-Nord
(Větrník).
Institut für makromolekulare Chemie an der Akademie der Wissenschaften der
Tsch.Republik
Aus der Straße Ankarská gelangen wir durch die Straße Zeyerova entlang des Wildgatters zu einem
Objekt aus neuerer Zeit. Denn zu Břevnov gehört auch das in den Jahren 1960-64 nach einem Pro-
jekt des Architekten Karel Prager erbaute Institut für makromolekulare Chemie an der Akademie der
Institut für makromolekulare Chemie an der AdW der Tsch. Republik
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1. Břevnov
WissenschaftenderTsch.Republik.Der Platz,an dem das Gebäude (Nr.1888) steht,trägt den Namen
des Nobelpreisträgers Jaroslav Heyrovský.Mitbegründer des Instituts war ein weiterer namhafter Wis-
senschaftler – Otto Wichterle (1913-1998),dessen Denkmal im Park vor dem Eingang steht.
Wohnsiedlung Petřiny
Die Wohnsiedlung Petřiny im Bereich zwischen dem Heyrovský-Platz und dem Militärkrankenhaus
gehört zum Teil zu Gemarkung Břevnov und zum Teil zu Gemarkung Veleslavín. Die älteste Platten-
bausiedlung von Prag wurde 1959-69 nach Plänen der Architekten Evžen Benda und Vojtěch Mixa
errichtet.In den letzten Jahren hat sich ihre Fläche durch weitere Wohnkomplexe – z.B.vom Architek-
ten Milunič – noch vergrößert.
Straße Na Petřinách
Zentrales Militärkrankenhaus (Foto: Archiv ÚVN)
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Zentrales Militärkrankenhaus (Ústřední vojenská nemocnice)
Das Zentrale Militärkrankenhaus (ÚVN) wird allgemein Střešovice zugedacht, obwohl es in der Ge-
markung Břevnov steht.
Ein Militärkrankenhaus wurde verhältnismäßig lange in Erwägung gezogen, da sich die bestehenden
medizinischen Einrichtungen als unzureichend erwiesen.Aber erst in den 30er Jahren des 20.Jh.stand
endlich sein Standort fest.1936 begann man zu bauen und am 1.Juli 1938 wurde sein erster Teil feier-
lich seiner Bestimmung übergeben – damals unter dem Namen Masaryk-Militärkrankenhaus. Im
Krieg wurde hier ein deutsches Armeelazarett eingerichtet, in dem bis zu 2000 Patienten lagen (bei
seiner Eröffnung hatte es gerademal 400 Betten).
Nach Kriegsende wurde das gesamte Areal modernisiert und um weitere Abteilungen erweitert, bis es
zu einem der besten Kliniken in Tschechien aufstieg.Heute werden hier natürlich auch zivile Patienten
behandelt und nicht nur Soldaten.
Villa Rothmayer
In der nahen Straße U páté baterie Nr.50/Konskr.-Nr.896 (x U vojenské nemocnice Nr.12) steht eine
interessant konzipierte Villa, die Architekt Otto Rothmayer (1892-1966), der Nachfolger von Josip
Plečnik, für seine Familie bauen ließ. Die Umgebung des Hauses sah damals anders aus als heute, wo
die Aussicht aus dem Garten vom Gebäude des Militärkrankenhauses versperrt wird. Das anmutige
Gebäude springt mit einem interessanten runden Objekt mit innerer Wendeltreppe in den Garten
vor. Gerade dieser Garten war Inspirationsquelle und häufiges Fotoobjekt eines weiteren Freundes des
Architekten – des Fotografen Josef Sudek (1896-1976). Bis 2008 lebte die Familie des Autoren in der
Villa,dann kaufte es ihnen die Galerie der Hauptstadt Prag ab.Nach seiner notwendigen Rekonstruk-
tion soll es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Villa Rothmayer
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2. Střešovice
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
S
2.
Střešovice
Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Střešovice (Třešovice) steht im Falsum der Gründungs-
urkunde des Stifts Břevnov (Breunau) aus dem Jahre 993, die auch eine Beschreibung ihres Besitzes
enthält. Auch archäologische Erkundungen bekräftigen eine Datierung des Ortes ins 10. Jahrhundert.
Im Bereich der Straßen Střešovická und Pod kostelem fand man Grabstätten aus dem 10.– 11.Jh.und
auch eine frühe Siedlung wurde hier nachgewiesen. Diese gelangte zur Mitte des 12. Jh. in den Besitz
des Klosters Strahov und gehörte den Prämonstratensern mit gewissen Unterbrechungen bis zum Be-
ginn des 20.Jahrhunderts.Seit 1922 ist Střešovice Teil von Prag.In der Zeit zwischen den Weltkriegen
machte Střešovice eine stürmische Entwicklung durch – die einstige Klostersiedlung avancierte so zum
modischen Viertel mit ausgedehnter Villenbebauung. Die Verbindungsstraße Střešovická, die Achse
von Střešovice, trennt das Stadtgebiet in zwei Teile – in das Garten- und Villenviertel Ořechovka und
einen zweiten Teil mit älterer Bebauung. Entlang dieser Straße zieht sich linkerhand in Richtung Mi-
litärkrankenhaus eine interessante, unter Landschaftsschutz stehende Lokalität mit Sandsteinfelsen
hin. An diesen Felsen ‚klebten‘ einst alte Häuser, die in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
leider abgerissen wurden. Aber ihre Umrisse in den Felsen sind bis heute auszumachen. Auch weitere
Häuschen,die an die einstige Vorstadt erinnerten,verschwanden in den 80er Jahren – namentlich in der
Straße ‚U Hradního vodojemu‘ und so ist nicht viel vom ‚alten Střešovice‘ übrig geblieben.
Auch die Straßen haben ‚militärische’ Namen, scheinbar in Zusammenhang mit dem Militärkrankenhaus. Die
Straßennamen haben allerdings nichts mit der ursprünglichen Bestimmung des Krankenhauses gemein,sondern
widerspiegeln viel ältere Geschichte.Namentlich die Ära der österreichisch-preußischen Kriege zur Mitte des 18.
Jahrhunderts. Der erste Krieg brach nach der Thronbesteigung von Maria Theresia im Jahre 1740 aus, er ging
alsÖsterreichischerErbfolgekriegindieGeschichteein.InseinererstenPhasewurdePragvonverbündetenbay-
erisch-französischen Truppen besetzt. Trotz abgeschlossener Friedensverträge flammte der Krieg immer wie-
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– 30 –
2. Střešovice
der auf. An der dritten Phase dieser kriegerischen
Auseinandersetzung, dem sog. Siebenjährigen
Krieg in den Jahren 1756-63,nahmen bereits alle
europäischen Mächte teil. Im Sommer des Jahres
1757 wurde Prag vom Preußenkönig Friedrich
II. belagert und gerade an dieser Stelle zogen die
Preußen ihre Artillerieverbände zusammen.
Wohl auch deswegen muten die hiesigen Stra-
ßen und Häuserblöcke wie mit dem Lineal
gezogen an, andererseits gibt es dank einer
gewissen Großzügigkeit hier auch viel Grün.
Auch der Platz Před Bateriemi (Vor den
Batterien), wo eines der hiesigen kirchlichen
Objekte steht – der funktionalistische Bau
der Versammlung der Tschechoslowakischen
Hussitischen Kirche aus dem Jahre 1938 von
Architekt Bohumír Kozák – hat parkähnli-
chen Charakter. Dies ist ein auffälliges Bau-
werk mit einem turmartigen Teil und zahlrei-
chen historisierenden Elementen im Interieur
und Exterieur.
Dr. theol. Karel Farský (1880-1927) war ur-
sprünglich römisch-katholischer Priester und Ver-
treter der Ideen des Modernismus in der Kirche
und Repräsentant der sog. Reformpriester. Diese
Aktivität führte letztendlich zur Abspaltung von
der katholischen Kirche und 1920 zur Gründung
einer eigenständigen Tschechoslowakischen Re-
form- und Nationalkirche. Gleichzeitig wurde er
ihr erster Patriarch und verdiente sich zudem um
die Errichtung des ersten Wohnheims für Theolo-
giestudenten in Dejvice. Außerdem ist er Autor
zahlreicher, namentlich theologischer Werke.
Ein paar Jahrzehnte älter ist die römisch-
katholische Hauptkirche St. Norbert in der
Straße Sibeliova. Der kirchlichen Obrigkeit
wegen musste die Gemeinde recht lange auf
ihre eigene Pfarrkirche warten, da diese der
Bethaus der Tschechoslow. Hussitischen Kirche
Blick von Střešovice
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Meinung war, dass es die Gläubigen ja nicht weit zur Kirche in Strahov hätten. Die von František
Rožánek im neoromanischen Stil erbaute Kirche St. Norbert wurde 1891 geweiht (der hl. Norbert ist
Schutzheiliger von Kloster Strahov).Das Kircheninnere zieren Schnitzereien von JosefKrejčík,die Bil-
der sind ein Werk des Malers Jan Heřman.In Anlehnung an den Weihnamen der Kirche bürgerte sich
die Ortsbezeichnung Norbertov ein,auch die anschließende Straße trägt diesen Namen.Das Pfarrhaus
der Kirche befindet sich in der Straße Sibeliova Nr.2/Konkr.-Nr.49.
Ein paar Schritte vom Platz Před Bateriemi (Vor den Batterien) entfernt, erinnert der Name Andělka
an eine ältere kirchliche Tradition. In der Vergangenheit führte aus Břevnov ein wichtiger Weg über
die Anhöhe durch Střešovice.An diesem Weg gründete Abt Gabriel aus dem Kloster Strahov im Jahre
1756 an der Stelle eines älteren Weingutes einen neuen Hof (Pod bateriemi Nr. 7). Die Bezeichnung
rührt von der Kapelle her, die in einem Zug mit dem Hof errichtet wurde und der heiligen Jungfrau
Maria Engelskönigin geweiht wurde.Zu Beginn des 20.Jh.erbaute das Kloster Strahov hier eine Kin-
derbewahranstalt mit dem Namen Norbertinum, aber nach dem 1. Weltkrieg begann man sie wieder
abzureißen. Auf einem Teil der Grundstücke wurde eine Turnhalle (Sokolovna) errichtet – heute Ta-
tran Střešovice.
Der älteste Kern des Objekts wurde 1970 völlig unsinnigerweise abgerissen,aber ein Teil der ursprüng-
lichen Disposition des Meierhofes blieb bis heute bewahrt. Zu Beginn des 19. Jh. wurden die Grund-
stücke dann zerstückelt und mit kleineren Häusern verbaut. Das Hauptgebäude des Hofes diente da-
zumal als Gastwirtschaft. Dieser Bereich bildete zusammen mit ein paar weiteren Häusern den Kern
des historischen Střešovice.
Nach 1526, als die Habsburger in der Person von Ferdinand I. den böhmischen Thron bestiegen, begann der
allmählicheRenaissanceumbauderPragerBurgundinihrer Umgebung wiederum entstanden zahlreiche Gär-
Kirche St. Norbert
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2. Střešovice
ten,namentlich jedoch der Königliche Garten.Da hierdurch derWasserverbrauch enorm anstieg,ließ Ferdinand
I. anno 1540 die neue ‚Schlosswasserleitung‘ bauen, die gerade hier, beim Hof Andělka begann. Offensichtlich
ging es um ein in einem Stollen verlegtes WasserrohrzurBurg über das sog.Czernin-Feld (Černínské pole).20
Jahre später wurde die Burgwasserleitung noch ausgebaut. Das Wasser aus den Fassungsstollen in Střešovice,
Veleslavín und Liboc führte u.a. auch direkt in die kaiserliche Küche und speiste die Brunnen auf dem St. Georg
Platz (Jiřské náměstí) auf der Burg. Später wurde der Wasservorrat noch um Teiche erweitert, von denen sich
einige bis heute in dieser Gegend befinden.
Wenn man z.B. auf der Straße Pod Andělkou weiter geht, gelangt man zur Ortslage Na Kocourkách.
Die Straße kam erst 1957 zu dieser Benennung,sie ist jedoch viel älter.
Kocourka,Ve Střešovičkách Nr.6/Konkr.-Nr.36
Diese Bezeichnung ist bereits im 18.Jh.belegt,als sich hier das Armenhaus von Břevnov befand,später
bürgerte sich diese Bezeichnung für das gesamte Gebiet der Südseite hinter Břevnov ein. Sie rührt
offensichtlich vom Namen irgendeines der Besitzer der hiesigen Weingärten her.Ab 1838 wurde dieser
Bereich Malé (Klein) Střešovice genannt, heute heißt er Střešovičky. Bis zum Ende des 18. Jh. stand
in der Lokalität Na Kocourkách nur ein einziges Haus.Dann wurde Haus Nr.16 an ihm angebaut und
später noch ein weiteres Haus. Die Straße Na Kocourkách – die heutige sog. Zlatá ulička (Goldene
Gasse) in Střešovičky ist die älteste,bis heute bewahrte Straße.
In einem der hiesigen Häuser lebte der heute weniger bekannte akademische Maler und Grafiker Karel Holan
(1893-1953).Er war Mitglied des KünstlerischenVereins und desVereins bildender Künstler Mánes.In seinen
frühen Werken ist deutlich der Einfluss von Münch‘s Werken zu erkennen. Anfangs widmete er sich vor allem
sozialenThemen der Prager Peripherie, später malte er Landschaften und Prager Motive.
Straße Na Kocourkách
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Einer der ältesten hiesigen Höfe hieß Hubálka (siehe die Straße Na Hubálce, zwischen den Straßen
Sibeliova und Střešovická).Nur noch Zeitzeugen und vergilbte Fotografien erinnern (sich) an das nach
1950 abgerissene Gehöft. Hier stand einst auch die Gastwirtschaft Na Hubálce, in der die Mitglieder
des Vereins der Ziegelarbeiter zusammenkamen. An die geschichtlichen Hintergründe erinnert heute
nur noch der Straßenname.
Der Name der nahen Straße U střešovických hřišť hängt mit den hiesigen Sportstätten (tsch. hřiště)
zusammen. Unter anderem befinden sich hier das beliebte Schwimmbad-Areal und Freibad Petynka.
Sein Kern ist ein 50-Meter-Becken mit einer Besonderheit – einer über 100 m langen Riesenrutsche.
Auch die Straße Nad Hradním vodojemem (Über der Burgwasserleitung) mündet in die Straße Sibe-
liova und führt anschließend parallel zur Hauptstraße, der Střešovická třída weiter. Gerade hier steht
ein architektonisches Schmuckstück.
Villa Müller,Nad Hradním vodojemem Nr.14/Konkr.-Nr.642
Villa Müller ist eine außergewöhnlich interessante funktionalistische Villa von Adolf Loos aus den
Jahren 1928–30. Dieser weltbekannte Architekt wendete im Projekt den sog. Raumplan an, also ein
System mehrgeschossiger, teilweise ineinander geschachtelter Räume. Das gleiche Prinzip wendete er
auch bei der Konzeption des Gartens an,der 1999 samt der Villa in seinen ursprünglichen Zustand zu-
rückversetzt wurde.Das Innere der Villa zieren zahlreiche ursprüngliche Elemente,u.a.die Ausstattung
der Badezimmer, Küche, Halle usw.; die Räume sind zum größten Teil mit ursprünglichen Möbeln
ausgestattet. Auftraggeber der Villa war der Miteigentümer einer renommierten Baufirma – František
Müller. Nach dem kommunistischen Putsch wurde ein großer Teil des Objekts beschlagnahmt, 1989
wurde die Villa jedoch ihren Besitzern zurückerstattet. Die Stadt Prag kaufte sie ihnen jedoch ab und
nach einer sensibel ausgeführten Restaurierung dient es heute als Museum der Architektur jener Zeit.
Villa Müller
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– 34 –
2. Střešovice
Adolf Loos (1870–1933) war ein weltweit anerkannte Architekt. Er wurde in Brünn, in der Familie eines
jüdischen Steinmetzens geboren. Er war Autor eigenwilliger, kubusförmiger Objekte. Er absolvierte die Ge-
werbeschule in Liberec (Reichenberg) und dieTechnische Hochschule in Brno (Brünn). Er lebte abwechselnd in
Wien und Paris, bei seinen Pragaufenthalten logierte regelmäßig im Hotel Palace, wo er ein vorausgezahltes
Apartment hatte.
Seine Bauten sind in Prag,Brünn,Wien,aber auch anderswo zu finden.Er leitete Kunstkurse,an denen unter
anderemauchRudolfWels,KarlSimon,JacquesGroag,ErnstWiesner,SigismundKerekesoderHeinrichKulka
teilnahmen.In Prag baute er zwei Villen unter Anwendung des sog.Raumplans.Diese bilden eine Kompositi-
on gegenseitig verschachtelter Räume auf verschiedenen Ebenen mit dominierender Wohnhalle in Höhe zweier
Geschosse. 1930 erhielt Loos von Präsident Masaryk eine Ehrenpension. Er starb in Kalksburg bei Wien.
Die Straße Nad Hradním vodojemem erlitt in
der jüngsten Vergangenheit zwar große Verluste
an Baudenkmalen,aber auch hier entstehen nach
und nach neue Traditionen. Dazu trägt u.a. auch
das Familienunternehmen ‚Jaroslav Huder &
Sohn‘ (Nr. 17/Konskr.-Nr. 25) bei, dessen Wur-
zeln bis zum Anfang des 20. Jh. zurückreichen.
Heute finden hier Faschingsfeiern, Schlachtfeste
und sonstige Veranstaltungen statt.Die Fleische-
rei hält sogar den tschechischen Rekord für die
längste Bratwurst.
An die Atmosphäre der einstigen Vorstadt erin-
nert der unlängst aus Initiative der Bürgervereini-
gung ‚Staré Střešovice‘ (gegründet im Jahre 1997)
reparierte Glockenturm aus dem Ende des 19.Jh.
Auch die nahe Straße‚Starostřešovická‘und teil-
weise auch die Straße‚Pod Bateriemi‘erinnern in
ihrer Bebauung an ihre einstige Geschichte.
Gegenüber dem Haus ‚Nad Hradním vodojemem‘ Nr. 59/Konskr.-Nr. 67 ragt ein interessanter Anwärter
auf den Titel ‚Denkmalbaum‘ auf – ein ca. 140 Jahre alter Maulbeerbaum. Diese Obst- und Zierbäume
werden heute nur noch selten ausgepflanzt,außerdem sind bei uns nur manche seiner 15 Arten winterfest.
Ořechovka
Seinen Namen bekam dieser Ort von einem einstigen Anwesen aus dem Jahre 1710, das dem Hof-
kammersekretär Jan Kryštof Bořek - Bořekovka gehörte – der sog. Hof Vořechovka, hochsprachlich
‚Ořechovka‘.Zeitzeugen zufolge hatte sein Schlösschen einen herrlichen Garten französischenTyps – bis
zu dem Augenblick, als sie die französische Armee anno 1742 zerstörte. Später gelangte dieses Gebiet
in die Hände des Ärars und so entstanden hier Artillerielabors (siehe der Straßenname Dělostřelecká =
Artilleriestraße) und Waffenlager.
Nach der Gründung der Republik wurden die hiesigen Grundstücke zum Bau eines Villenviertels par-
zelliert.
Glockenturm Nad hradním vodojemem
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Die ‚Gartenstadt‘ ist ein urbanistisches Phänomen von der Wende des 19. zum 20. Jh., das aus den Gedanken
des Briten Ebenezer Howard (1850-1928) hervorging. Zentrales Motiv seiner Werke war es, die Vorteile des
Stadt- und Dorflebens miteinander zu verbinden und so auf die ständig wachsendeVerdichtung der städtischen
Agglomeration zu reagieren. Im Prinzip geht es hierbei um einen in sich geschlossenen Komplex, bei dem mit
keiner weiteren Ausdehnung, sondern lediglich mit der Wiederholung des gleichen urbanistischen Konzepts auf
einer angrenzenden Fläche gerechnet wird. Das Konzept der Gartenstadt setzte sich zuerst in Großbritannien
durch. In der Architektur der damaligen Tschechoslowakei (namentlich in der von Prag) taucht es erst in den
20er Jahren, in Verbindung mit der Tätigkeit der Staatlichen Regulierungskommission auf. Der ausgedehnte
Bau von Gartenstädten wurde sogar aus dem Staatsbudget gefördert, aber der ursprüngliche Gedanke eines
‚sozialen‘ Wohnens war zu jener Zeit bereits passé. Die erste Prager Gartenstadt war ‚Ořechovka‘ in Střešovice,
später folgten noch drei weitere Prager Viertel. In Prag 6 namentlich das Villenviertel Baba.
Der Regulierungsplan für die Gartenstadt Ořechovka stammt aus der Feder der Urbanisten Jaroslav
Vondrák und Jan Šenkýř, die in dem 1920 ausgeschriebenen öffentlichen Wettbewerb gesiegt hatten.
Binnen weniger Jahre entstand hier ein modernes Viertel mit 197 Häusern und insgesamt 224 Woh-
nungen.Den Mittelpunkt des Viertels bildete der Machar-Platz mit einem interessanten Mehrzweck-
gebäude mit Geschäften,Arztpraxis,Kino und Restaurant (Eigenentwurf von Jaroslav Vondrák).Auch
ein Theater- und Tanzsaal und ein Kino wurden hier eingerichtet. Seiner architektonischen Besonder-
heit wegen wurde dieses Gebiet 1991 zur Denkmalzone ausgerufen. Für den Bau der hiesigen Villen
gab es strenge Regeln, die der Gartenstadt einen einheitlichen Charakter verliehen. Die meisten dieser
Villen stammen von namhaften Architekten jener Zeit, viele von ihnen bauten sich hier ihre eigenen
Häuser.
Ořechovka
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2. Střešovice
Villa Vondrák
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Villa von Vincenc Beneš
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2. Střešovice
Rund um den Machar-Platz führen zwei Stra-
ßen – die West- und die Oststraße (Západní u.
Východní). Die Jaroslav-Vondrák-Villa in der
Západní Nr. 21/Konskr.-Nr. 488 wurde in den
Jahren 1923-24 nach einem Projekt ihres Besit-
zers,des Architekten JaroslavVondrák erbaut,der
sich auch an der Erarbeitung des urbanistischen
Konzepts dieses Ortes beteiligte. Das Viertel
Ořechovka wurde so damals zu einem weiteren
Prager ‚Ausstellungssaal‘ der modernen Archi-
tektur.Die eigenwillige Villa scheint sich aus drei
geometrisierenden Körpern zusammenzusetzen,
die sich gegenseitig durchdringen und im End-
effekt einen seltsam asymmetrischen Bau bilden.
Die Nachbarvilla (Nr.19/Konskr.-Nr.489) wurde
nach einem Projekt von Alois Dryák erbaut.
Villa Kafka,
Na Ořechovce Nr.41/Konskr.-Nr.484
In der Straße Na Ořechovce Nr. 41/Konskr.-Nr.
484 steht die Villa Kafka. Das mehrgeschossige
Backsteinhaus wurde in den Jahren 1923-24 nach Plänen des Architekten Pavel Janák für das Ehepaar
Kafka erbaut – den Bildhauer BohumilKafka(1878-1942) und dessen FrauBerta.Die schlichte Fassa-
Villa Kafka
Villa Španiel
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
de des Hauses ziert über der Eingangstür die eigene
Büste des Bildhauers (Gedenktafel aus dem Jahre
1969). Das Erdgeschoss barg ein Bildhaueratelier.
Nach dem Tode ihres Mannes lebte die kinderlose
Witwe Kafka allein im Haus, deshalb vermachte
sie das Haus ihrer Pflegerin. Deren Familie besitzt
das Haus bis heute noch.
In der gleichen Straße (Na Ořechovce Nr. 35/
Konskr.-Nr. 487) wohnte ein weiterer Bildhauer
– Otakar Španiel (1881-1955,Gedenktafel).Seine Villa erbaute 1924 Architekt Ladislav Machoň.
Und ein Bildhauer zum Dritten: Břetislav Benda (1897-1983) besaß gleich nebenan die Villa Nr. 37/
Konskr.-Nr.486,die Architekt Fr.Vahala für Familie Benda errichten ließ.
In einer Seitenstraße,der ‚Lomená‘ (Nr.12/Konskr.-Nr.494) steht ein Haus,das Architekt Pavel Janák
für die Familie des Malers Emanuel Filla (1882-1953) und dessen Schwager František Krejčí (1904-
1968) baute.
Villa Špála, Na Dračkách Nr.5/Konskr.-Nr.755
Der Maler und Grafiker Václav Špála (1885-1946) hatte Otakar Novotný, seinen Kollegen aus dem
Verein Mánes, mit dem Bau seiner Villa beauftragt. Der Architekt errichtete in den Jahren 1931-32
ein Wohnobjekt samt Atelier als Backstein-Kubus, den lediglich die Fensteröffnungen aufgliederten.
Gleichzeitig entwarf er die hübsche Gestaltung des Gartens. Die Villa ist bis heute in Besitz dieser
Familie.
Villa Špála
Haus in der Lomená ulice vom Architekten Pavel Janák
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2. Střešovice
In der gleichen Straße, in der Villa Nr. 25/Konskr.-Nr. 847, wohnte der Maler und Illustrator Václav
Fiala (1896-1980).
In der Straße Střešovická Nr.54/Konskr.-Nr.853 hatte auch der Maler MiloslavHolý (1897-1974) seine
Wohnung samt Atelier.
Der Maler Vincenc Beneš (1883-1979),der Schöpfer des neuzeitlichen Ausschmückung des National-
theaters, besaß das Haus Nr. 24/Konskr.-Nr. 492 in der Straße Cukrovarnická. Auch sein Haus samt
Atelier wurde von Architekt Pavel Janák entworfen.
Am Ende der Straße Cukrovarnická befindet sich in der Nähe der Bahnstrecke (Nr. 131) der kleine,
Ende des 19. Jahrhunderts (1899) gegründete Friedhof von Střešovice – vordem hatte man die Toten
auf dem St.-Johannes-Friedhof in Šárka begraben (1713 als Pestfriedhof gegründet). Hier gibt es eine
Reihe von Soldatengräbern, die an den 1. und 2. Weltkrieg erinnern. Hier liegen auch der Maler Emil
Filla (1882-1953), dessen Schwager, der Musiker Iša Krejčí (1904-1968), der Sänger Milan Chladil
(1931-84), der Bruder des Präsidenten Edvard Beneš sowie der Politiker Vojtěch Beneš (1878-1951)
begraben.
Der Name des Bruders des Präsidenten Beneš ist in der Öffentlichkeit recht unbekannt,aber auch Vojtěch(‚Vojta‘)
Beneš war Politiker und Abgeordneter. Seiner Kontakte zur Bewegung ‚Krajanské hnutí‘ wirkte er schon vor
dem 1.Weltkrieg in den USA.Seine diesbezüglicheTätigkeit wusste Präsident Masaryk später geschickt zur Or-
ganisierung des Ersten Widerstands zu nutzen. In der Ersten Republik, also zwischen den Weltkriegen, befasste
Friedhof Střešovice
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
er sich außer mit Politik vor allem mit Fragen des Schulwesens – er war sogar Zentralinspektor für nationales
Schulwesen. Im 2. Weltkrieg wirkte wiederum vor allem in den USA. In den Jahren 1946-48 war er in der
Konstituierende Nationalversammlung tätig. Beim kommunistischen Putsch von 1948 war er Verfechter des
entschlossenen Widerstands, emigrierte später jedoch. Nach seinem Tode wurden seine Gebeine nach Prag über-
führt und an einer unauffälligen Stelle auf dem Friedhof in Střešovice beigesetzt. Auch seine Söhne befassen sich
mit Politik, seine Schwester ehelichte Zbigniew Brzezinský.
Interessant ist, dass sofort nach der Aufteilung des Viertels hier auch das ursprüngliche Zuckerfor-
schungsinstitut errichtet wurde – das heutige Physikalische Institut an der Akademie der Wissen-
schaften (Cukrovarnická Nr. 10/Konskr.-Nr. 112). Eine Institution, die sich auf die grundlegende und
angewandte Forschung auf dem Gebiet der Physik spezialisiert und die ihre Anfänge in den 30.Jahren
in den Škoda-Werken in Pilsen hatte.Hier befindet sich u.a.auch die Bibliothek dieses Instituts.
Die ursprünglichen Vorstadtgebiete zeichneten sich durch eine typische Besonderheit aus:Wer sich keinen großen
Garten leisten konnte, wurde kurzum zum Schrebergärtner. In den 20er Jahren bildeten die Schrebergärtner
ganze Gartenkolonien, in denen sie Obst und Gemüse für den Hausgebrauch züchteten. Gewöhnlich blieb auch
noch ein Plätzchen für eine Gartenlaube oder Holzhütte. Im verflossenen Regime pflegte man sich hier in Ge-
sellschaft gleichdenkender Menschen zu erholen und abzureagieren.In letzter Zeit werden diese Schrebergärten
jedoch schrittweise liquidiert, da die Grundstückspreise in der Stadt in die Höhe schießen. Eine der ältesten
Gartenkolonien gibt es jedoch bis heute in Střešovice, am Anfang von Ořechovka. Sie entstand schon 1926 und
so gibt es hier verschiedenste, hübsch bemalte oder mit Holzschnitzereien versehene gezimmerte Gartenlauben
zu bewundern.
Villa Hübschmann
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2. Střešovice
Straßenbahndepot Střešovice - Museum des ÖPNV
Straßenbahndepot Střešovice - Museum des ÖPNV
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
In den Jahren 1926-27 erbaute sich Architekt Bohumil Hübschmann (Hybšman, 1878-1961) nach
eigenen Plänen eine Familienvilla in der Straße U Laboratoře Nr. 4/Konskr.-Nr. 565. Das schlichte
Äußere der Villa birgt ein viel komplizierteres Interieur mit zwei Aufgängen und einem Wintergarten.
Das Haus ist bis heute in Besitz der Familie ihres Erbauers.
Nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs richtete Adolf Eichmann in Wien die berüchtigte Zentralstelle für Jüdische
Auswanderung ein. Und sofort nach der Besetzung Böhmens und Mährens auch eine Zweigstelle in Prag – in
der Straße Dělostřelecká Nr. 11/ Konskr.-Nr. 585. Die Prager Zweigstelle leitete er anfangs höchstpersönlich,
später wechselte ihn Hans Günther ab.
In der Straße U Laboratoře Nr. 22/Konskr.-Nr. 538 lebte aber nach seiner Rückkehr aus der Emi-
gration auch Egon Erwin Kisch (1886-1948). Die Villa gehörte seinem Schulfreund Fischer, der als
einziger der Familie lebend aus dem KZ zurückgekehrt war. Das Familienhaus wurde von den Deut-
schen als ‚jüdisches Eigentum‘ konfisziert und so wohnte während des Krieges Adolf Eichmann in
dessen 1. Stock. Paradoxerweise war Kisch nun der Nachbar von Eichmanns Schwager Karel Lukáš.
Nur nebenbei – dieser lebte hier bis 1953 und bekam als Beamter des Verteidigungsministeriums eine
noch größere Wohnung! Und dies alles zu Zeiten der Prozesse,die Kisch’s Frau Gisela wohl nur durch
ein Wunder überlebte.
Egon Erwin Kisch (1885–1948) war Schriftsteller und Journalist. Er wurde in der Melantrich-Straße, in der
Prager Altstadt geboren. Seine Vorfahren waren aus Spanien vor der Inquisition geflohen und ließen sich im
Städtchen Chiesch (Chýše) bei Karlsbad nieder – daher der Name Kisch,die Mutter stammte aus der Familie des
Rabbi Löw. Die Familie gehörte zu den assimilierten Juden und deshalb wurden sie sich erst mit dem Macht-
antritt Hitlers ihres jüdischen Ursprungs bewusst. Den 2. Weltkrieg verbrachte Kisch in der Emigration, nach
Prag kehrte er erst nach dem Krieg zurück. Er starb nur einen Monat nach dem kommunistischen Putsch in der
Tschechoslowakei(eristimKolumbariuminStrašnicebeigesetztundmitnichtenauf demjüdischenFriedhof,mit
ihm ruht hier auch seine Gemahlin‚Gisl‘).
Der ‚Rasende Reporter‘ sagte einmal, er habe mit seinem Judentum eine interessante Erfahrung gemacht. „Ich
stamme aus Prag, bin Jude, Kommunist und aus guter Familie – etwas von jedem hat mir immer wieder ge-
holfen.“
In der selben Straße steht noch eine interessante Villa.Diese ließ sich Architekt J.Rössler nach eigenen
Entwürfen errichten (U Laboratoře Nr.18/Konskr.-Nr.552).
Straßenbahndepot Střešovice – Museum des ÖPNV (MHD)
Im Straßenbahndepot Prag – Střešovice befindet sich eine einzigartige Ausstellung unter dem Namen
Museum des Öffentlichen Nahverkehrs in Prag (Muzeum městské hromadné dopravy v Praze). 1993
wurde das Museum feierlich eröffnet. Der Grundstein zu diesen Sammlungen wurde jedoch schon
1929 gelegt, als ein Waggon der früheren Pferdebahn zu Museumszwecken ausgesondert wurde, die
seit 1875 in Prag verkehrte.Mit der ständigen Erneuerung des Fuhrparks des öffentlichen Nahverkehrs
stieg auch die Anzahl der historischen Waggons. Aber auch die im Jahre 1909 erbaute Remise selbst
ist ein denkmalgeschütztes Gebäude.1998 wurde das gesamte Ensemble von 50 historischen Waggons
und weiteren 34 Ausstellungsstücken zum Kulturdenkmal ausgerufen. Teil der musealen Ausstellung
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2. Střešovice
Villen in der Straße Pod hradbami
Villa Traub
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
ist auch ein Überblick über die Geschichte des städtischen Verkehrs. Das Museum bietet jedoch auch
attraktive Erlebnisse – z.B. historische Strassenbahnfahrten durch Prag, in der touristischen Saison
jeweils an den Wochenenden,ansonsten auf Wunsch.
Nur ein Stück vom Depot entfernt steht eine weitere interessante Villa.Im Jahre 1928 ließ sich hier Un-
ternehmer und FabrikantEdmundTraub (von ihm war im 1.Teil die Rede) in Střešovice,in der Straße
Pod Hradbami 17/Konskr.-Nr. 658, eine funktionalistische Villa erbauen. Mit ihrem Bau beauftragte
er den bekannten Berliner Architekten Bruno Paul. Dieser erbaute hier ein ausgedehntes funktionali-
stisches Objekt, zudem auf einem problematischen Grundstück, das er zuerst aufschütten und ebnen
lassen musste. Das zweigeschossige Haus widerspiegelte die hohen Anforderungen der Eigentümer in
Bezug auf Wohnkultur und Repräsentation. Nach Kriegsende kehrten die jüdischen Besitzer aus der
Emigration zurück,doch schon bald waren sie gezwungen,ein zweites Mal zu emigrieren.Das konfis-
zierte Haus diente fortan diplomatischen Zwecken,derzeit siedelt hier die Botschaft von Ungarn.
In der Straße Pod hradbami Nr.8 /Konskr.-Nr.656 steht das Haus des Architekten BohumilKozákaus
dem Jahre 1928. Ein paar Schritte weiter, in der Straße Dělostřelecká Nr. 1/ Konskr.-Nr. 654 steht die
Villa,die der frühere Präsident der Republik,Václav Havel (1936-2011) kaufte.
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Villa von Václav Havel
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3.Veleslavín
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
V
3.
Veleslavín
Der Name des Ortes (deutsch Weleslawin), der erstmals in Zusammenhang mit der Gründung des
Stifts Břevnov (Breunau) erwähnt wird, rührt offensichtlich vom Personennamen Veleslav her. Viel
älter und interessanter ist der Umstand, dass Veleslavín eine bedeutende archäologische Lokalität ist.
Hier fand man nämlich älteste slawische Keramik vom Veleslavín-Typ, die noch aus Zeiten der An-
kunft der Slawen,d.h.aus dem 6.Jh.stammt.
Im 16.Jh.wirtschaftete hier Štěpán Adam von Veleslavín - Vater des bekannten Buchdruckers Daniel
Adam von Veleslavín, der von seinem Schwiegervater eine bekannte Druckerei in der Straße Sirková
– der heutigen Melantrich-Straße übernahm.An Daniel Adam erinnert ein Denkmal in der Straße U
Sadu,das Bildhauer Antonín Procházka am Anfang des 20.Jh.schuf.
DanielAdamvonVeleslavín (1546-99) wurde nach seinen Studien an der Karls-Universität Geschichtspro-
fessor. Die Universität unterstand als kirchliche Institution jedoch dem Zölibat und so konnte der Professor
keine Ehe eingehen. Deshalb verließ er die Universität und ehelichte dieTochter des Buchdruckers Georg Me-
lantrich von Aventin. Nach dem Tode seines Schwiegervaters leitete er diese Druckerei selbst. Der Verlag gab
Bücher aller Genres der lehrreichen Literatur heraus, Übersetzungen und Lehrbücher, Arztbücher, Herbarien,
usw.Namentlich die tschechisch geschriebenen Bücher waren in schönemTschechisch verfasst und wurden spä-
ter zum Vorbild für die ‚Wiedergebürtler‘ (tsch. obrozenec). Nach seinem Tod führte dessen Sohn Samuel die
Druckerei weiter, der jedoch nach der Schlacht am Weißen
Berg seines Glaubens wegen emigrieren musste. Und so
wurden die Anlagen der berühmten Druckerei von den
Jesuiten konfisziert und ins Clementinum (Jesuitenkolleg)
transportiert.
Ein weiteres Anwesen in Veleslavín gehörte dem ita-
lienischen Baumeister Ulrico Aostallis de Sala, der
1567 zum ‚Baumeister der Prager Burg‘ und Bau-
amtsverwalter der Prager Burg ernannt wurde. Er war
u.a. Autor der Kapelle über dem Grab des hl. Adal-
bert (Vojtěch) vor der unvollendeten Kathedrale und
weiterer Bauten aus der Zeit der Renaissance und des
Manierismus in und außerhalb von Prag.
Denkmal von Daniel Adam von Veleslavín
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3.Veleslavín
Schloss Veleslavín
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Der in Prag ansässig gewordene Italiener mit dem vertschechischten Namen Oldřich Avostalis (1525-97) ge-
hörte einem weit verzweigten Geschlecht an, das zur Mitte des 16. Jh. nach Böhmen kam, um hier zu arbeiten.
Zielstrebig arbeitete er sich zu einem der fähigsten und seinerzeit beliebtesten Baumeister hoch. Er bewies aber
auch außerordentliches organisatorisches und geschäftliches Geschick – so spekulierte er vor allem mit Häusern für
seine Landsleute im Bereich des Welschen (italienischen) Viertels auf der Prager Kleinseite. Die eingenommenen
Gelder investierte er sofort wieder,er lieh sie aber auch oder kaufte dafür ländliche Anwesen.Außer in Veleslavín
hatte er ein weiteres Anwesen in Lysá nad Labem. Angesichts all dieser Aktivitäten ist kaum verwunderlich,
dass er keines natürlichenTodes starb. Angeblich wurde er von seinem Polier bestohlen und ermordet. Sein Grab
befindet sich in derThomaskirche auf der Prager Kleinseite.
Schloss,Veleslavínská Nr.30/Konskr.-Nr.1
Das hiesige Schloss entstand im 18. Jh., manche halten Kilian Ignaz Dientzenhofer für seinen Autor.
Zu Beginn des 20.Jh.befand sich hier eine Anstalt für Geisteskranke.Das Privatsanatorium war in Be-
sitz von OskarFischer und LeoKosák,ProfessorenderPsychiatrieaneinerdeutschenUniversität,und
wurde von ihnen geleitet.Auch Charlotta Masaryková (die Gattin des Präsidenten) war hier Patientin
oder später auch Milena Jesenská (Journalistin und Freundin von Franz Kafka).
Wegen der jüdischen Herkunft beider Ärzte wurde das Sanatorium im Laufe der Okkupation arisiert,
dennoch diente es auch weiterhin seiner Bestimmung, sogar noch nach Kriegsende. Später diente das
Schloss als Lungenheilstätte,bis heute ist es Teil der Fakultätsklinik der Karls-Universität.
In der gleichen Straße befinden sich noch die Reste eines zweiten Hofes (Konskr.-Nr. 14) mit Korn-
speicher (Konskr.-Nr.26),der zu Wohnungen umgebaut wurde.
Schloss Veleslavín
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3.Veleslavín
Charlotta Garrigue-Masaryková (1850-1923) hatte kaum Gelegenheit, die Rolle der ersten Dame des neuen
Staates zu genießen. Die Zeit des 1. Weltkrieges war für sie schwer zu ertragen: Sohn Jan wurde eingezogen,
Herbert starb (1915), Alice war im Gefängnis und ihr Mann samt Tochter Olga waren in Emigration. Kein
Wunder, dass sie psychisch zusammenbrach.
Milena Jesenská (1896-1944 im KZ Ravensbrück) war aus anderen Gründen hier. Ihrer rheumatischen
Schmerzen wegen wurde ihr Opium verabreicht und nun war sie im Sanatorium, um ihre Abhängigkeit von
diesem Opiat zu heilen.Sie war eine namhafte tschechische Schriftstellerin,Journalistin und Übersetzerin.Sie ist
auch als Freundin von Franz Kafka bekannt.Nach der deutschen Okkupation trat sie derWiderstandsbewegung
bei und verhalf jüdischen Familien zur Emigration.Dafür verlieh ihr die Institution Yad Vashem in memoriam
denTitel ‚Gerechte unter den Völkern‘.
Eine Besonderheit dieses Ortes ist das Wasserhaus von der Mitte des 16.Jh.(also zur Bauzeit des Lust-
schlosses Hvězda/Stern),das Teil der Burgwasserleitung (Straße U Sadu) war.
An der Grenze zwischen Veleslavín und Vokovice liegt ein Friedhoffür die Verstorbenen aus den umlie-
genden Ortschaften.Wegen der strategischen Lage von Vokovice fanden hier am Ende des 2.Weltkrie-
ges heftige Kämpfe statt, deshalb befindet sich hier auch eine Begräbnisstätte für die Gefallenen. Hier
liegt aber auch eine namhafte Persönlichkeit begraben – der slowenische Slawist Matthias Murko.
Matija Murko (Matthias Murko, 1861-1952) war ein slowenischer Historiker. Er studierte in Wien Germa-
nistik und Slawistik und widmete sich den Wissenschaften Philosophie, Linguistik und Pädagogik. Einige Jahre
Röhrhäusel
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
lang wirkte er in Moskau, später in Graz und Leipzig. 1920 nahm er eine Stelle an der Karls-Universität in
Prag an und wurde zu einem der Mitbegründer des Slawischen Instituts (Slovanský ústav).Man sagt von ihm,
er sei einer der letzten der Renaissance-Generation von Slawisten gewesen,die in ihrem Fach über eine außeror-
dentliche Breite und Vielfalt verfügten.
Ein Stück hinter dem Friedhof steht das Straßenbahndepot Vokovice, das 1933 in Betrieb genommen
wurde.Insgesamt verlegte man hier 30 Abstellgleise – die größte Prager Gleisanlage jener Zeit.Bis 1992
wurden hier auch historische Waggons abgestellt, die heute im Museum im Depot von Střešovice zu
sehen sind.
Die Grenze zwischen Veleslavín und Vokovice bildet heute die ‚Europastraße‘ (Evropská třída), die bis
zum Václav Havel Airport weiterführt.Zu Zeiten,als sich diese Vorstädte zu industrialisieren begannen,
spieltedieEisenbahneinewichtigeRolle.ZuerstinGestaltderBuschtiehraderPferdebahn(Buštěhradská
koněspřežná dráha) nach Lány,die später durch eine Dampfeisenbahnstrecke ersetzt wurde.Und gerade
damals – anno 1863 – wurde an dieser Strecke der Bahnhof Veleslavín, heute Praha-Veleslavín erbaut.
Gerade hierher führte ursprünglich die Straßenbahnlinie durch die Straße Kladenská.
Der guten Verkehrsanbindung wegen entstanden hier gleich mehrere Unternehmen, u.a. auch eine
kleine Fabrik für Keramikkacheln. Ein Teil der Fabrik diente ab den 60er Jahren zu Zwecken des
Forschungsinstituts für Rundfunk und Fernsehen. Heute in der digitalen Ära mag das fast lächerlich
klingen, aber damals teste man hier u.a. auch Techniken zur analogen Farbübertragung. Prinzipiell gab
es nur zwei Möglichkeiten – die Systeme PAL und SECAM und getreu dem Zeitgeist spielten bei
Straßenbahndepot Vokovice
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3.Veleslavín
Bahnhof Veleslavín
Evropská třída (Europastraße)
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
der Auswahl politische Gründe die entscheidende Rolle.Die Farbnorm PAL verwendeten die meisten
Staaten Westeuropas, SECAM wiederum vor allem im Osten. Noch im Frühjahr 1967 waren alle in
diesem Institut dem System PAL zugeneigt.Dieses wurde erstmals im Februar 1967,zur Farbübertra-
gung der Winterspiele in Grenoble verwendet.Dann aber wurde uns im August 1968 die ‚Bruderhilfe‘
des Ostblocks zuteil und das Fernsehen musste sich unterordnen.
Etwas weiter entfernt befand sich die sog. Sorbonne von Vokovice (José-Martí-Straße Nr. 31/Kon-
skr.-Nr. 269). Sie wurde 1953 als ‚Politische Hochschule des Zentralkomitees der Kommunistischen
Partei derTschechoslowakei‘ gegründet (unter dem Kürzel VUML bekannt – der Name wandelte sich
mehrmals,der Inhalt blieb derselbe).Ihre Absolventen konnten hier sogar den Titel RSDr (Doktor der
sozialpolitischen Wissenschaften) erlangen, was allgemein als ‚Doktor der heimischen Partei‘ gehand-
habt wurde.Die Schule war für jene Zeit auf modernste Weise eingerichtet und so studierten hier auch
viele Kommunisten aus befreundeten und Bruderländern.
Heute werden die Objekte von der Fakultät für Körpererziehung und Sport an der Karls-Universität
genutzt. In einem weiteren Teil befinden sich die Zentralgaragen des Innenministeriums. Das hiesige
‚Museum der Arbeiterbewegung‘erinnert an diese jüngste Geschichte.
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4.Vokovice
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
V
4.
Vokovice
Vokovice (Wokowitz) hieß ursprünglich Okovice.Obwohl archäologische Funde von einer interessan-
ten prähistorischen Besiedlung dieses Gebiets zeugen, stammen die ersten urkundlichen Berichte erst
aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der Herrenhof von Vokovice war in Besitz des Kapitels zu St.
Veit, außerdem gab es hier im 14. Jh. bereits weitere Gutshöfe. Ähnlich, wie auch an anderen Orten,
verlor die Kirche in den Hussitenkriegen auch in Vokovice ihre Besitztümer, aber schon ab Mitte des
16.Jh.bekamen sie diese wieder zurück.In jener Zeit werden auch einige städtische Weinhöfe erwähnt.
Anfang des 17.Jh.werden 12 Untertanenhöfe,eine Schmiede und selbstverständlich auch eine Schenke
erwähnt.Das Dorf blieb im Unterschied zum nahen Břevnov und Střešovice von größeren Kriegsereig-
nissen verschont und so war Vokovice lange ein verhältnismäßig stilles und verträumtes Dorf mit über-
wiegend landwirtschaftlichem Gepräge.Das sollte sich zu Beginn des 19.Jh.dramatisch ändern.
In den 20er Jahren des 19. Jh. fanden in seiner Umgebung (nachdem man in Kladno Steinkohle und
Eisenerz gefunden hatte) umfangreiche geologische Erkundungen statt, die ersten Erkundungsboh-
rungen (1820) im Bereich zwischen Vokovice und Veleslavín.In Vokovice gab es schließlich eine ganze
Gruppe von Eisenerzgruben,vor allem in den Lagen über Háj und auf dem Červený vrch.Diese Gru-
ben entstanden durchweg vor 1860, einige wurden schon bald wieder geschlossen, andere hielten sich
bis in die Mitte der 30er Jahre des 20.Jh.hinein.Für den Aufschwung des hiesigen Gewerbes war aber
auch der hier für die nahe Ziegelei abgebaute Löss von
Bedeutung. Diese Entwicklung schwächte natürlich die
Landwirtschaft auf diesem Gebiet. Viele Landwirte wa-
ren daher gezwungen, ihre Höfe zu verkaufen, gleichzeitig
zogen neue Einwohner der Arbeit wegen ins Dorf. 1843
lebten hier 153 Menschen, 11 Jahre später hatte Vokovice
183 Einwohner. In den 80er Jahren lohnte es sich bereits,
eine eigene Schule zu gründen.
Trotz all dieser Änderungen blieben sowohl der Kern des
einstigen Ortes,als auch der AngermitKapelle erstaunlich
gut bewahrt. Diese wurde gegen 1800 auf einem quadra-
tischen Grundriss erbaut und mit einem kleinen Glok-
kenturm gekrönt. In der Umgebung befinden sich einige
ursprüngliche Bauernhöfe aus der Zeit vom Ende des 18.
und vom Anfang des 19. Jh., die heute jedoch alle mehr
oder weniger umgebaut sind.
Kapelle mit Glockentürmchen
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4.Vokovice
Dieses Gebiet nimmt heute zum großenTeil die Residenz ‚Vokovickýdvůr’ein,der in diesem denkmalge-
schützten KomplexWohneinheiten anbietet.Hier befinden sich restaurierte Häuser des historischen Kerns
vonVokovice,beispielsweise das älteste Gebäude mit Konskr.-Nr.14 oder eine Neorenaissancevilla aus dem
Jahre 1902 mit Konskr.-Nr.54.Zu dieser gehört zudem ein weitläufiger englischerPark mitTennisplätzen,
Teich und Springbrunnen.
Über diesem Teil von Vokovice erhebt sich hinter dem Sportgelände der bewaldete Hügel Šárka, wo sich
eine der ältesten slawischen Burgstätten auf dem Gebiet des zukünftigen Prags befand,die unter anderem
auch eng mit der Legende von Šárka und Ctirad verbunden ist.
Die Šárka-Burgstätte ist seit 1995 nationales Kulturdenkmal. Dabei handelt es sich um ein schon in der Urzeit
bewohntes Gebiet,auf dem sich die Slawen wohl schon bei ihrer Ankunft im 6.Jh.ansiedelten.Die große befestigte
Siedlung erlebte namentlich im 7. – 8. Jh. ihre Blütezeit, dann ging ihre Bedeutung zurück und gegen Ende des 9.
wurde die Burgstätte völlig aufgegeben, offensichtlich in Zusammenhang mit der Verlagerung des Machtzentrums
in die Umgebung der Prager Burg und deren wachsender Bedeutung.
Zu weiteren Veränderungen kam es durch den Anschluss von Vokovice an Prag im Jahre 1922, aber erst
durch den Bau der WohnsiedlungČervenývrchund der Sportanlagen am Stausee Džbán vergrößerte sich
Vokovice enorm. Angesichts der Tatsache, dass auch das Gebiet der‚Wilden Šárka‘ (Divoká Šárka) in der
Gemarkung Vokovice liegt,ist ein großer Teil des Viertels Naturreservat.
Der 1968 vollendete StauseeDžbánist ein Naturbad mit diversen Sportanlagen,FKK-Strand und nahem Cam-
pingplatz. Nach dem Stausee in Hostivař ist der Stausee Džbán mit 18 ha Wasserfläche das zweitgrößte Prager
Naturbad. Der Stausee entstand durch das Anstauen des Baches Litovický potok, der unter dem Stausee zum Bach
Šárecký potok wird.
Residenz Vokovický dvůr
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Nördlich der Europastraße (Evropská ulice),in der Nähe des Bahnhofs Prag-Veleslavín,breitet sich das
Neue (Nové) Vokovice aus,dessen Bebauung vorwiegend aus dem 20.Jh.stammt.Im südlichenTeil von
Nové Vokovice steht das Jugendstilgebäude einer Schule.Im Norden grenzt das weitläufige Betriebsge-
lände der Firma Aritma (Hochhaus) an Nové Vokovice und im westlichen Teil (in der Straße Ke dvoru
Nr.5/Konskr.-Nr.672) das Gelände des Sportklubs Aritma.Die ursprüngliche Firma mit dem Namen
Aritma wurde zwar schon im Jahre 1940 gegründet, aber erst nach dem 2. Weltkrieg kam es zu ihrem
echten Aufschwung. Der Volksbetrieb Aritma befasste sich mit Forschung und der Produktion von
Rechnertechnik,sog.Lochkartenrechnern.
Stausee Džbán
Panorama von Vokovice
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4.Vokovice
Wohnsiedlung Červený Vrch
Im östlichen Teil von Vokovice breitet sich dies- und jenseits der Europastraße (Evropská ulice) die
Plattenbausiedlung ‚Červený Vrch‘ aus. Sie entstand in den Jahren 1960–1972, Hauptarchitekt war K.
Jarolím.Ihren Namen bekam sie vom nahen Hügel Červený vrch (327 m ü.NN.).Dieser wiederum ist
so nach dem roten, eisenhaltigen Boden benannt und dies mindestens schon seit dem 17. Jahrhundert.
An die Neubausiedlung grenzt ein Wohnviertel mit kleineren Familienvillen an. Das Gebiet umkreist
die Straße Půlkruhová, hier gibt es aber auch Straßen, die nach Alfred Nobel und einigen Nobel-
preisträgern benannt sind, wie z.B. nach der Friedensnobelpreisträgerin Berta v. Suttner (sie wurde im
Palais Goltz-Kinsky am Altstädter Ring geboren) oder dem Ehepaar Corio (Gedenktafel in der Straße
Salmovská und Petrská,Nobelpreis für Medizin).In der Plattenbausiedlung gegenüber tragen die Stra-
ßen Namen von Städten aus Afrika oder aus Nahost.
Nebenbei bemerkt – in der Straße Půlkruhová spielte sich im Haus der Schauspielerin Jana Šulcová die Szene
aus dem zur Jahrhundertkomödie erklärten Streifen – ‚Mit dir gefällt mir die Welt‘ der Regisseurin Marie
Poledňáková ab.Und die abschließende Szene wurde gleich hinter der Ecke einer weiteren Straße von Vokovice
gedreht - Na Krutci.
Am anderen Ende der Straße Půlkruhová (Nr. 42/Konskr.-Nr. 99) zog in eine der anmutigen Villen
die Grundstufen-Kunstschule Charlotta Masaryková ein,an der drei Kunstfächer unterrichtet werden
– Tanz,Musik und bildende Kunst.Ein anderer Teil dieser Schule befindet sich näher der Hauptstraße
in der Vokovice-Straße Nr.42/Konskr.-Nr.99).
Neubausiedlung Červený Vrch
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Šárka-Tal
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4.Vokovice
In Zusammenhang mit der Entstehung der Neubausiedlung kam es zur Korrektur der Zufahrtswege.
Kaum vorstellbar, dass hier bis 1967 die Straßenbahn von Bořislavka durch die Straße Kladenská zum
Bahnhof Veleslavín und erst dann zum Depot in Vokovice fuhr.Zuerst wurde nur ein Gleis umverlegt,
im November 1967 war dann bereits eine doppelgleisige Strecke auf der heutigen Europastraße (der
damaligen Lenin-Straße) im Versuchsbetrieb. Und da hier eine große Anzahl von Einwohnern zu
befördern war,wurde auf der Anhöhe Červený Vrch auch gleich noch eine Tram-Schleife gebaut.2014
soll hier eine der Stationen der Linie A der Prager Metro eröffnet werden.
Naturpark Šárka-Lysolaje
Der gesamte nordwestliche Teil des Stadtbezirks Prag 6 – von Podbaba bis zum Flughafen – ist von
einem grünen Gürtel umgeben,der allgemein Šárka oder auch Šárecké údolí (Šárka-Tal) genannt wird.
Aus Richtung der Moldau führt eine Straße über Podbaba,wo sie in zwei Richtungen weiterführt – ein
Weg führt nach Lysolaje, der andere führt ‚Im Šárka-Tal‘ stromaufwärts des Baches Šárecký potok bis
über die Siedlung Petřiny. Das 1.005 ha große Gebiet wurde 1990 zum Prager Naturpark Šárka – Ly-
solaje ausgerufen.Er bedeckt Teile der Gemarkungen Dejvice,Liboc,Ruzyně,Vokovice,Nebušice und
Lysolaje.Deshalb ist das Schutzgebiet in 8kleinflächige,jedoch aneinander angrenzende Schutzgebiete
unterteilt:Baba,Divoká (Wilde) Šárka,Dolní (Untere) Šárka,Housle,Jenerálka,Nad Mlýnem,Vizerka
und Zlatnice.
Hier gibt es darüber hinaus zahlreiche denkmalgeschützte Objekte und weitere historisch oder kulturell
interessante Orte. Den Naturpark durchziehen viele, gut ausgewiesene Wanderwege und das gesamte
Gebiet wird von Bussen des ÖPNV bedient. Durch das Tal fließt ein Bach, der richtig Litovicko-
Šárecký potok heißt. Der erste Teil seines Laufes entspringt als Litovický potok in einem Wäldchen
bei Chýně, über den Teich Litovický rybník fließt er bis nach Prag, dann fließt er unterirdisch weiter,
bevor er im Wildgatter Hvězda (Stern) wieder an die Oberfläche tritt.Nun fließt er über Liboc,vorbei
Naturpark Šárka
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
am Bahnhof Veleslavín, um sich den Stausee Džbán zu ergießen. Diesen verlässt er bereits unter dem
Namen Šárecký potok und mündet letztendlich bei Podbaba in die Moldau. Beide Läufe haben eine
Gesamtlänge von ca.21 Kilometern.Das gesamte Schutzgebiet ist so die wohl bestbewahrte Naturland-
schaft von Prag und dies trotz des Umstands,dass es schon in prähistorischen Zeiten bewohnt war.
In der Gemarkung Dejvice grenzt das Schutzgebiet bis an bewohnte Lokalitäten,an der anderen Seite
geht es jedoch in freie Natur über.Vom Naturdenkmal Baba war schon im 1.Teil dieser Publikation die
Rede. Aus Sicht des Naturschutzes handelt es sich hier um eines der artenreichsten Insekten-Biotope
in ganz Prag.
Über dem einstigen Barockanwesen Zlatnice breitet sich ein kleineres Schutzgebiet mit einem interes-
santen Landschaftsgebilde aus,das den Namen dieses Anwesens trägt.
Im Šárka-Tal gab es einst zahlreiche Mühlen, die meisten von ihnen sind heute umgebaut und dienen
längst nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck. So z.B. die Kleine Mühle (Malý mlýn - V Šáreckém
údolí Nr. 17/Konskr.-Nr. 44), was nicht bedeutet, dass sie klein war – ihr Besitzer hieß Pavel Malý
(Klein). Wegen Wassermangel hörte sie schon
Mitte des 19.Jh.auf zu klappern.
Auch der Hof gegenüber mit dem putzigen
Namen Žežulka (Nr. 42/Konskr.-Nr. 79) wurde
umgebaut. Auf dem Grund und Boden des An-
wesens gab es früher gleich drei Weingärten, die
im Jahre 1600 in den Besitz von Jakub Žežule aus
der Prager Neustadt gelangten.Im 19.Jh.wurden
die Grundstücke aufgeteilt und das Gehöft selbst
diente als Ausflugsgasthof.
Žežulka
Kleine Mühle
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4.Vokovice
Ein weiteres der hiesigen Gehöfte, Duchonská
genannt (Nr.19/Konskr.-Nr.45),ersetzte Anfang
des 20.Jh.eine Villa – die sog.Emilka.
Das Wohnhaus Na Mlýnku (Nr.25/85) entstand
ebenfallsdurchdenUmbaueinereinstigenMühle
auf dem Gebiet des Hermannshofes (Heřmanův
dvůr).Die Mühle blieb noch bis ins 20.Jh.in Be-
trieb,hier gab es auch einen Ausflugsgasthof.
Dieser ursprüngliche Weinhof (Nr.32/Konskr.-
Nr. 76) trägt den Namen ‚Okolka‘ und dies nach
einem seiner Besitzer im 17.Jahrhundert.Damals
kaufte ihn der Richter Vilém Jindřich,Ritter Od-
kolek von Újezdec. Später wechselten häufig die
Besitzer, die das Objekt ihren jeweiligen Bedürf-
nissen anpassten.
Weingärten gab es auch anstelle eines weiteren
Anwesens – des Hofes Purkrabka (Nr. 36/Kon-
skr.-Nr. 77). Hier wechselten sich zwar auch die
Besitzer,aber hier war die oberste Markgrafschaft
Obrigkeit und später auch ständiger Besitzer.Zur
Mitte des 19. Jh. wurde das Anwesen umgebaut
– seither dient es Wohnzwecken. Die heutige
Villa behielt den einstigen Namen bei.
Tor zum Hermannshof (Heřmanův dvůr)
Šatovka
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Auch ein weiteres Gehöft mit dem Namen Velingrová (Nr. 40/Konskr.-Nr. 78) dient heute Wohn-
zwecken. Diese verballhornte Benennung rührt von ihrer Besitzerin im 17. Jh. her – Maria Eleonora,
die mit Johann Georg von Wendlingen (Wendlingra) verheiratet war.
Die oberste Markgrafschaft besaß noch einige weitere Weingärten,die im 16.Jh.zusammengeschlossen
wurden. Im Jahre 1642 erwarb Matyáš Erl, ein ‚Salpetermann‘ aus der Prager Altstadt diesen Besitz,
seither wurde das Anwesen (Nr.56/Konskr.-Nr.80) Sanytrovka(Sanytr = Salpeter) genannt – aber auch
dieser hatte entsprechende Abgaben an die Markgrafschaft zu entrichten.Zu Beginn des 20.Jh.wurde
das Objekt zur Villa umgebaut.
Das große Wohnhaus Šatovka (Nr. 74/Konskr.-Nr. 81) entstand anstelle von Weingärten und eines
Gutshofes, den im Jahre 1673 Johannes der Täufer de Chateau, ein vermögender Schneider von der
Kleinseite erworben hatte. Mitte des 19. Jh. gab es hier auch einen Ausflugsgasthof mit ausgedehntem
Garten.
An der Stelle zweier weiterer Weingüter der Markgrafschaft befand sich ein Anwesen mit dem ur-
sprünglichen Namen Maxmiliánka – heute Rakařka (Nr. 76/Konskr.-Nr. 82). Unweit des heutigen
Hauses wurde 1935 ein Freibad errichtet.
Die Neorenaissancevilla Zuzanka (Nr. 78/Konskr.-Nr. xxx steht am Ort des ehemaligen Anwesens
Žitná).Die Villa ließ am Ende des 19.Jh.Oberingenieur František Mráz,der Besitzer des Hofes Žitná
erbauen (daher ihr Name Mrázovka). Aber auch das Gebäude des alten Gehöfts blieb bewahrt, es
wurde rekonstruiert und dient heute ebenfalls zu Wohnzwecken.
Der Heřmanův dvůr (Hermannshof – Nr. 82/Konskr.-Nr. 84) entstand um 1600 durch den Zusam-
menschluss von ca. zehn kleinen Weingütern. Am Ende des 17. Jh. kaufte der Brauereibesitzer Jiří
Antonín Bořek diese Grundstücke samt Hof,Mühle und kleinem Hopfengarten auf.Dessen ungeach-
tet kam gerade die oben erwähnte Bezeichnung in Gebrauch, deren Hintergrund recht unklar ist. Das
gesamte Areal besteht aus einigen bis heute bewahrten Barockhäusern mit Tor.
Die ehemalige Mühle Zaporecký mlýn (Nr.100/Konskr.-Nr.55) dient heute als Wohnhaus,als Mühle
Zuzanka
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4.Vokovice
diente das Haus schon zur Mitte des 16.Jahrhunderts.Ihren Namen bekam sie von einem ihrer Besit-
zer, die nahe Bushaltestelle ‚Kalinův mlýn’ (Kalina-Mühle) erinnert wiederum an die Müller aus dem
Geschlecht der Kalina‘s,in deren Besitz sie von 1844 bis zum 2.Weltkrieg war.
Nördlich dieses Gebäudes grenzt das nicht ganz 4 Hektar große Naturdenkmal Nad Mlýnem (Über
der Mühle) an.
An der gegenüberliegenden Seite,näher zu Dejvice,gab es bis 1959 einen weiteren beliebten Ausflugs-
gasthof (Pod mlýnkem Nr. 17/Konskr.-Nr. 162), der von Jan Kaplan erbaut wurde. Heute dient auch
der Gasthof ‚Kaplanka‘ zum Wohnen.
Geht (oder fährt) man von der Neubausiedlung Červený Vrch durch die Straße Horoměřická, taucht
linker Hand der Bach‚Krutecký potok‘auf, der durch das Schutzgebiet PP Jenerálka fließt. Grund für
diesen Schutz ist eine felsige Anhöhe mit spezifischem Mikroklima in alle Himmelsrichtungen.Gerade
an dieser Stelle fand man Spuren einer prähistorischen Besiedlung. Außerdem gibt es hier Zeugnisse
einstiger Versuche, Eisenerz abzubauen. Eine weitere Besonderheit ist, dass gerade der erwähnte Bach
‚Krutecký potok‘ die Grenze zwischen den Gemarkungen Dejvice und Vokovice bildet.
Der Name dieses Gebietes rührt vom Anwesen Jenerálka (U Vizerky Konskr.-Nr. 2308) her. Dies
ähnelt eher einem Schlösschen, als einem Gehöft, dennoch gab es auch hier ursprünglich Weingärten.
Das Gebiet unterstand der kirchlichen Gerichtsbarkeit des Klosters Strahov und wurde vom General-
vikar der Prämonstratenser verwaltet. Davon rührt seine bis heute verwendete Bezeichnung im Volks-
mund her. Die gesamte Anlage besteht aus einem Komplex mehrerer, rund um einen Hof stehender
Jenerálka
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Spaziergänge durch Prag 6 – 2. Teil
Gebäude. Ihr Kern ist ein kleines Barockschloss,
das schon im 19. Jh. Wohnzwecken diente. In
der Ersten Republik wurde es zum Haus der
tschechoslowakischen Legionäre hergerichtet,
dann nahmen es die Nazis in Besitz. Nach dem
Attentat an Heydrich entstand hier ein Kinder-
heim für Waisenkinder hingerichteter Personen.
1944 wurden die Kinder jedoch in ein Internie-
rungslager im mährischen Svatobořice gebracht,
da hier auf Befehl von K. H. Frank politische
Häftlinge interniert wurden. Heute haben hier
die Baptistische Kirche und das internationale
Baptistische theologische Seminar ihren Sitz.
Das Anwesen Jenerálka ist noch in Zusammenhang
mit einem interessanten Maler des 19. Jh. erwäh-
nenswert, der hier lebte und starb. August Friedrich
(Bedřich) Piepenhagen (1791-1868) stammte aus
Preußen,aber bei einer Pilgerwanderung gelangte er
1811 auch nach Prag – und blieb hier. Ursprünglich
war er Knopfmacher, aber letztendlich lebte er von
seinem Steckenpferd – der Malerei. In Prag wurden
Kalin-Mühle
Čertův mlýn (Teufelsmühle)
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4.Vokovice
ihm 4 Töchter geboren; zwei von ihnen – Louise und Charlotte – wurden ebenfalls Malerinnen. Dies war zu
Zeiten des Romantizismus,als die romantische Wahrnehmung der Landschaft in Mode kam (dabei malte man
diese ausschließlich in Ateliers).
Gegenüber der Jenerálka steht an der gegenüberliegenden Seite der Straße Horoměřická ulice die Ba-
rockkirche des hl. Johannes (Jan) v Trníčku, bei der sich ein kleiner Friedhof für Verstorbene aus den
umliegenden Orten befand.
Noch ein Stück weiter steht eine der Mühlen des Šárka-Tales. Die Eichenmühle - Dubový mlýn
(K Dubovému mlýnu Nr. 4/Konskr.-Nr. 2304, Bushaltestelle ‚Korek’ in der Straße V Šáreckém údolí)
wird schon im 16. Jh. erwähnt. Seine Grundstücke, die ebenfalls den Prämonstratensern des Klosters
Strahov gehörten, waren so ausgedehnt, dass sie bis zum Anwesen Jenerálka reichten. Für uns ist sie
namentlich deswegen interessant, da hier ein ganzes Jahrhundert lang die Müllerfamilie Mysliveček
lebte (ab 1688, Josef Mysliveček wurde jedoch in einer der Altstädter Mühlen, am Novotný-Steg/No-
votného lávka geboren, wo sich auch eine Gedenktafel befindet). Die Mühle wurde Mitte des 19. Jh.
stillgelegt, danach wechselten sich hier verschiedene Produktionseinrichtungen ab. Heute präsentiert
sich das Gebäude als Villa.
Weitere interessante Objekte gibt es auch in der Wilden Šárka - Divoká Šárka, aber diese breitet sich
bereits in einer anderen Gemarkung aus.
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Freibad Na Džbánu unter dem Mädchensprung (Dívčí skok)
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